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High-tech-Prothesen gegen tickende Zeitbomben im KörperGefäßchirurg Prof. Christian Reeps erklärt seiner Patientin Ingeborg Nusche den Aufbau einer Stentprothese.
20. November 2015

High-tech-Prothesen gegen tickende Zeitbomben im Körper

Gefäßchirurgen des Uniklinikums setzen bei ausgeweiteten Baucharterien verstärkt auf individuell gefertigte Stents sowie deren schonende Implantation per Katheter

Immer mehr Patienten mit krankhaft erweiterter Bauchschlagader – einem Bauchaortenaneurysma – profitieren von der Expertise der Gefäß-Spezia¬listen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden: Das von Prof. Christian Reeps geleitete Gefäßteam der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie operiert inzwischen jeden Werktag in zwei OP-Sälen. Der erfahrene Chirurg wechselte im Sommer von der Technischen Universität München nach Dresden und baut seitdem das Behandlungsspektrum erheblich aus. Noch in diesem Jahr werden deshalb zusätzliche gefäßchirurgische Untersuchungsräume im Universitäts GefäßCentrum (Haus 9) geschaffen. Eine Spezialität des Gefäßchirurgen sind Aortenoperationen und hier insbesondere auch schonende Verfahren zur Implantation von großen maßgefertigten Gefäßprothesen. Diese zumeist über die Leistenschlagader eingeführten Stents ermöglichen es, auch betagte Menschen erfolgreich zu behandeln, für die eine normale Versorgung mit konventionellen Stentprothesen oder eine offene Operation nicht mehr in Frage kommen. Erleichtert werden diese langen und hochkomplexen Eingriffe durch die gute fachübergreifende Zusammenarbeit – vor allem mit dem Institut für Diagnostische Radiologie. Nicht nur die Computertomografien vor dem Eingriff spielen eine wichtige Rolle, sondern auch die hohe Expertise auf dem Gebiet der interventionellen Radiologie, welche Prof. Ralf-Thorsten Hoffmann vertritt.

„Ich bin froh, dass die Bombe aus meinem Körper gekommen ist“, sagt Ingeborg Nusche. Bei der 81-jährigen Dresdnerin wurde vor sieben Jahren ein Bauchaortenaneurysma – also eine Erweiterung oder auch Aussackung des lebenswichtigen Blutgefäßes – festgestellt. Eigentlich hat die Hauptschlagader, von der das aus dem Herz kommende Blut unter anderem in die Nieren und die unteren Ex¬tremitäten gelangt, einen Durchmesser von eineinhalb Zentimetern. Bevor Ingeborg Nusche von Prof. Reeps und seinem Team operiert wurde, hatte sich der Durchmesser dieses Gefäßes bei ihr mehr als vervierfacht. „Wenn die Aorta platzt, sind Sie sofort tot“, erinnert sich die Patientin an die Worte ihres Internisten. Trotzdem zögerte die heute 81-Jährige bei der ersten Diagnose. Sie ängstigte sich vor der damals ihr vorgeschlagenen offenen Operation, bei der die Chirurgen den Bauch mit einem großen seitlichen Schnitt öffnen wollten, um von außen an das nahe an der Wirbelsäule verlaufende Gefäß zu kommen. Doch in den letzten Jahren weitete sich die Hauptschlagader von Ingeborg Nusche noch einmal von 4,5 auf 6,5 Zentimeter. Die Gefahr, dass dieses Gefäß platzen könnte, stieg damit erheblich: Bei dem geringeren Durchmesser lag das Risiko noch bei fünf Prozent – nun war es mehr als viermal so hoch. Dass es heute die Alternative gibt, die Gefäßprothese über die Beinschlagader zu implantieren, hat Ingeborg Nusche gefreut. Und doch überlegte sie es sich noch einmal, bevor sie sich für den Eingriff entschied. In ihrem heutigen Alter wäre die offene Operation ohnehin nicht mehr in Frage gekommen. „Eine so große OP ist sehr belastend und stellt bei Beteiligung der Nieren und Eingeweidearterien ein deutlich größeres Risiko dar“, sagt Prof. Reeps, der die Patientin schließlich von dem schonenden Einsatz der gefensterten Spezialprothese überzeugen konnte. Nachdem die unmittelbaren Folgen des sechsstündigen Eingriffs innerhalb von zwei Wochen abgeklungen sind und in einem von Prof. Hoffmann und seinem Team vorgenommenen kleineren Eingriff letzte Undichtigkeit der mehrteiligen Gefäßprothese behoben wurde, ist die Dresdnerin Prof. Reeps dankbar dafür, dass er ihre anfängliche Skepsis entkräften konnte und sie erfolgreich operierte.

Maßangefertigte Gefäßprothese
Bevor die künstliche Bauchaorta implantiert werden konnte, stand Maßarbeit am PC auf dem Programm: Basis sind Bilder vom Computertomographen, die dann von einem spezialisierten Hersteller zu einem präzisen Plan aufgearbeitet wurden. Der Aufwand war im Fall der 81-Jährigen deshalb besonders hoch, weil die Bauchschlagader bei ihr sehr kurvig verläuft und auch die Abzweigungen zu den Nieren- und Eingeweidearterien betroffen waren. Die Gefäßprothese musste also mit präzise eingearbeiteten Verbindungslöchern – Fachleute sagen dazu Fenestrierungen – hergestellt werden. Das Besondere dieser über spezielle Katheter in die Blutbahn eingeführten Prothesen ist, dass die Spezialisten erst die Fenestrierungen mit den Eingeweide- und Nierenarterien zur Deckung bringen mussten und sie dann erst im Bereich der erweiterten Arterie voll entfalten konnten. In der Ausgangsposition sind die einzelnen Elemente der Prothese so dick wie ein Bleistift – später vier Mal so stark. Möglich wird das durch feinen, im Zick-zack gebogenen Edelstahldraht, der mit einem Spezialgewebe verwoben ist. Die Prothese muss nach der Implantation zu 100 Prozent dicht sein. Eine Krone ragt über den Stent hinaus und sorgt dank der Widerhaken für eine optimale Verbindung mit dem gesunden Gefäß.

Bauchaortenaneurysmen bleiben oft unbemerkt
Wenn sich die Hauptschlagader nach und nach erweitert, merken die Patienten das in der Regel nicht. Mit einer Ultraschall-Untersuchung des Bauchraums lässt sich diese Aussackung frühzeitig erkennen. Bei Männern sind es oft Urologen, die bei Routinechecks von Prostata und Nieren Anzeichen für ein Aneurysma entdecken. Das passt zur Häufigkeit des Leidens. Denn betroffen sind in 80 Prozent der Fälle Männer. Die Aussackungen sind eine altersabhängige Erkrankung des Gefäßsystems. Ab 60 Jahren steigt deren Wahrscheinlichkeit deutlich an. "Die Risikofaktoren entsprechen weitestgehend denen der Gefäßverkalkung – der Arteriosklerose: Das sind vor allem Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Rauchen und familiäre Belastung", erklärt Prof. Norbert Weiss,  Direktor des Universitäts GefäßCentrums und Bereichsleiter Angiologie.

Weitere Informationen
www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/vtg/gefaesschirurgie

Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
(Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Weitz)
Bereich für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie
Leiter: Prof. Dr. med. Christian Reeps
Tel.: 0351 458-12683 (Sekretariat)
E-Mail: nicole.langklotz@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de/vtg