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Dresdner Mukoviszidose-Screening bei Neugeborenen wird bundesweit StandardDie 15-jährige Rebecca profitierte von dem Mukoviszidose-Screening für Neugeborene. Statt einer jahrelangen Ärzte-Odyssee wird bei ihr nach nur wenigen Wochen die Diagnose gestellt. Dank einer im Säuglingsalter gestarteten Therapie und einem günstigen Krankheitsverlauf, kann sie ihr Leben sehr aktiv gestalten. Neben gymnastischen Übungen hält sie sich mit Tanzen und Rettungsschwimmen fit.
01. Juni 2016

Dresdner Mukoviszidose-Screening bei Neugeborenen wird bundesweit Standard

Dresdner Uniklinikum ist Vorreiter bei Früherkennung / Unzureichende Finanzierung in der Kritik

Seit dem 1. Juni 1996 untersucht das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden alle Neugeborenen auf Mukoviszidose. Mit dieser Praxis, die international längst gängiger Standard ist, betrat das Universitätsklinikum vor 20 Jahren Neuland in Deutschland. Der Einsatz von Dr. Marina Stopsack, heute Leiterin des Neugeborenenscreenings des Uniklinikums, und ihrem Team zahlte sich aus: Nach zwei Jahrzehnten wird das Screening auf Mukoviszidose zum 1. Juli 2016 bundesweiter Standard. Das hierfür eingesetzte Verfahren ist eine weiterentwickelte Form jenes Vorgehens, das bislang am Uniklinikum eingesetzt wurde. Der Gemeinsame Bundesausschuss reagiert mit der Einführung auf die Forderungen der Ärzteschaft und Patientenverbände, die bereits 2008 den Antrag auf eine deutschlandweite Einführung gestellt hatten. Die Integration der Untersuchungsparameter für Mukoviszidose in das seit den 1970er-Jahren etablierte Neugeborenen-Screening auf seltene Krankheiten hilft dabei, den Patienten bereits kurz nach der Geburt eine geeignete Therapie zukommen zu lassen und ihre Lebensqualität und Lebenserwartung deutlich zu verbessern. Doch die Finanzierung ist unzureichend geregelt und droht den Krankenhäusern wirtschaftlich zu schaden, weil sie noch auf dem Verhandlungstand der 90er-Jahre beruht.

„Die standardmäßige Einführung des Mukoviszidose-Screening von Neugeborenen in Deutschland ist keineswegs ein Quantensprung, sondern eine längst überfällige Reaktion“, sagt Prof. Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Dresden. „Es ist bedauerlich, dass diese Technik erst 20 Jahre nachdem Sie erstmals in Dresden und Deutschland zur Anwendung kam und vielen Patienten helfen konnte, bundesweiter Standard wird – insbesondere im Hinblick auf die seit 30 Jahren gesammelten positiven Erfahrungen aus den USA, Australien oder Großbritannien“, resümiert der Mediziner. Auch in Ostsachsen, wo das Screening 1996 erstmals in Deutschland am Uniklinikum Dresden eingeführt wurde, sind nach 20 Jahren Erfolge vorzuweisen.

Der zusätzliche Test ist in das reguläre Neugeborenen-Screening integriert, bei dem am dritten Lebenstag Blut aus der Ferse entnommen und auf seltene Erkrankungen untersucht wird. 61 Mal brachten weitere, aufgrund der Ergebnisse des Screenings vorgenommene Tests die Gewissheit einer Mukoviszidose-Erkrankung. „Für die Eltern ist die Diagnose zunächst ein Schock. Doch zugleich auch eine Erleichterung – vor allem, wenn sich schon früh Symptome wie etwa schleimiger Durchfall zeigen und sich auch nach mehreren Wochen keine Besserung einstellt. Für die Kinder und ihre Eltern birgt die frühe Diagnose neben der Gewissheit auch die Chance auf den Start in ein geregelteres Leben, denn viele Mukoviszidose-Patienten sind auch heute noch auf einer Odyssee, bei der zum Teil Jahre vergehen, bis die Diagnose gestellt wird“, weiß Dr. Jutta Hammermann, Leiterin des Universitäts MukoviszidoseCentrums „Christiane Herzog“ der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Auch sie begrüßt deshalb die bevorstehende bundesweite Einführung des Screenings.

Ebenso Dr. Marina Stopsack, Leiterin des Neugeborenenscreenings am Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, und Begründerin der Mukoviszidose-Untersuchung am Uniklinikum Dresden. „Im Uniklinikum wird sich durch die bundesweite Einführung nur wenig ändern“, sagt die Medizinerin. Seit 2008 wird hier nach der IRT-Methode (Immun Reaktives Trypsinogen) gescreent. Trypsinogen ist die Vorstufe eines Verdauungsenzyms, das aufgrund der mit Schleim verstopften Bauchspeicheldrüse vermehrt ins Blut gelangt. Dieser Nachweis geschieht in Kombination mit der PAP-Methode (Pankreas Assoziiertes Protein), bei der der Wert des PAP-Stressproteins im Blut gemessen wird. Sind beide Werte erhöht, besteht der Verdacht auf Mukoviszidose und es folgen weitere Tests, um Gewissheit zu haben. „Die Genauigkeit der Untersuchung liegt bei 15 zu 1, das heißt auf 15 gesunde Kinder, bei denen erhöhte Werte festgestellt wurden, kommt ein Kind, das tatsächlich an Mukoviszidose erkrankt ist“, erklärt Dr. Marina Stopsack. Die bundesweite Einführung ergänzt die bisher angewandten Verfahren um einen weiteren Schritt, in dem geprüft wird, ob die Neugeborenen das für Mukoviszidose verantwortliche Gen in sich tragen.

Eklatante Finanzierungsschwächen
Vor acht Jahren stellten Ärzte und Interessensverbände einen Antrag zur bundesweiten Einführung des Neugeborenen-Screenings. „Die medizinischen Aspekte wurden ausgiebig geprüft – die Klärung der Finanzierung einer bundesweiten Einführung aber vernachlässigt“, kritisiert Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. Bisher wird das Neugeborenen-Screening über eine Pauschale der Krankenkassen vergütet. „Die Anpassung der Vergütungs-Pauschalen ist jedoch seit den 1990er-Jahren ausgeblieben, obwohl die Krankenhäuser ihre Leistungen kontinuierlich gesteigert und erweitert haben. Die Krankenkassen stehen hier in der Pflicht, Ihre Leistungen an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen“, betont Prof. Albrecht.

Mukoviszidose: Eine Krankheit mit vielen Gesichtern
Mukoviszidose-Patienten teilen ihre Krankheit miteinander, doch nicht das gleiche Schicksal. Denn die Symptome der Stoffwechselkrankheit, die durch ein defektes Gen ausgelöst wird, fallen je nach Art des Gendefekts unterschiedlich stark aus. Über zweitausend verschiedene Mutationen sind den Medizinern derzeit bekannt – und damit auch zweitausend unterschiedlich intensive Ausprägungen der unheilbaren Krankheit. Aufgrund der Mutationen produziert der Organismus dieser kein CFTR-Protein, das einen Kanal in der Zellwand bildet und damit den Wasser- und Salzgehalt der Körperzellen reguliert. Dadurch entsteht im Körperinneren ein zähflüssiger Schleim, der die Atemwege, die Leber, die Bauchspeicheldrüse oder auch den Dünndarm verstopft und dadurch die Funktion der Organe einschränkt.

Weitere Informationen
http://ngscreen.uniklinikum-leipzig.de/ngscreen.site,postext,einsender_mukoviszidose.html
www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/universitaetscentren/umc
www.muko-dresden.info

Kontakt für Journalisten                       
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik Kinder- und Jugendmedizin
Direktor: Prof. Reinhard Berner
Tel. 0351 458-25 08
E-Mail: kik-direktion@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de/kik