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Große Leber-Operation mit kleinen SchnittenKrebspatient Klaus Kraft (links) im Gespräch mit Prof. Jürgen Weitz. Foto: Medizinische Fakultät der TU Dresden / Stephan Wiegand
01. September 2016

Große Leber-Operation mit kleinen Schnitten

Viszeralchirurgen des Uniklinikums entfernen eine Leberhälfte erstmals in minimalinvasiver OP-Technik

Erstmals am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hat das Team um Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, einen von Krebs-Metastasen befallenen Leberlappen mit einem minimalinvasiven OP-Verfahren entfernt. Bei dem Ende Juli vorgenommenen Eingriff blieb dem 79-jährigen Patienten damit das standardmäßig angewandte Verfahren einer offenen Operation erspart: Statt einem rechtwinkligen, mehr als 30 Zentimeter langen Bauchschnitt reichten dem Dresdner Chirurgenteam vier kurze sowie ein etwa sieben Zentimeter langer Schnitt, um den rechten Leberlappen des an Darmkrebs erkrankten Mannes zu entfernen. Einen Monat nach dem siebenstündigen Eingriff ist der Patient soweit genesen, dass er wieder ausgedehnte Waldspaziergänge unternehmen kann. Entscheidender Vorteil des minimalinvasiven Verfahrens sind ein geringerer Blutverlust bei der OP und eine niedrigere Komplikationsrate – unter anderem, weil die einzelnen kleinen Schnitte in der Bauchdecke die Risiken von Wundheilungsstörungen senken.

„Mit dieser erst von wenigen Spezialisten angewandten Operationsmethode setzt die Dresdner Hochschulmedizin ein weiteres Zeichen für seine führende Position in der Versorgung von Krebspatienten. Dazu tragen am Universitätsklinikum die chirurgischen Fächer ebenso bei wie Gynäkologie, die internistischen Fächer, die Strahlentherapie und die Urologie. Der auch durch dieses Verfahren vorangetriebene Ausbau der onkologischen Leberchirurgie und deren Kombination mit innovativen Transplantationstechniken sind ein wichtiger Schritt, auch auf internationaler Ebene die Zukunft auf diesem Gebiet mitzugestalten“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums

Tickende Zeitbombe in einem lebenswichtigen Organ
Die Leber übernimmt im Blutkreislauf eine wichtige Filterfunktion. Das führt bei Krebspatienten häufiger dazu, dass sich dort Tochtergeschwülste – Metastasen – ansiedeln, die die Leber zuvor aus dem Blut gefiltert hat. Sie sind eine tickende Zeitbombe, weil durch ihr fortschreitendes Wachstum gesundes Lebergewebe zerstört wird. Die Folge sind Stoffwechselstörungen und schließlich Leberversagen. Deshalb müssen Metastasen abgetötet oder entfernt werden. Letzteres übernehmen Bauchchirurgen wie Prof. Weitz, die über einen großen Erfahrungsschatz verfügen müssen: „Das stark durchblutete Organ bedeutet für uns Chirurgen eine große Herausforderung. Etwa zwei Liter Blut fließen pro Minute durch die Leber und die stärkste Vene ist daumendick. Wir müssen sehr präzise vorgehen, wenn wir einen großen Teil der Leber herausschneiden wollen“, erklärt der Klinikdirektor. Seit Team entfernt jährlich bei rund 120 Patienten Teilstücke des lebenswichtigen Organs. Sofern dort angesiedelte Metastasen günstig liegen, muss lediglich ein kleines Stück Leber herausgenommen werden. In diesen Fällen haben die Bauchchirurgen des Dresdner Uniklinikums auch bisher schon minimalinvasive OP-Verfahren genutzt. Doch wenn es darum ging, einen größeren Teil der Leber – möglich sind je nach Zustand des Patienten bis zu 80 Prozent – zu entfernen, wurde die Option der offenen OP gewählt. Möglich ist ein solcher Eingriff, weil sich das Organ regenerieren kann: Lebergewebe bildet sich nach der OP innerhalb von drei bis sechs Wochen neu. Damit gewinnt das Organ seine volle Funktionsfähigkeit relativ schnell zurück. In der Zwischenzeit macht sich die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des reduzierten Organs beispielsweise durch Müdigkeit bemerkbar. Auch kann sich die Haut der Patienten aufgrund der verringerten Filterfunktion verfärben.

Schlüsselloch-Chirurgie kommt mit deutlich kürzeren Schnitten aus
Um einen Teil der Leber in einer offenen Operation zu entfernen, ist meist ein großer Schnitt notwendig, der vom Brustbein bis zum Bauchnabel oder in manchen Fällen von dort bis zur Höhe der rechten Flanke reicht. Die Öffnung kann bis zu 30 Zentimeter lang sein, wobei die Chirurgen größere Muskeln durchtrennen müssen. Der große Schnitt sorgt zwar dafür, dass die zu operierende Leber für die Chirurgen gut erreichbar ist, was auch zu einer relativ kurzen OP-Zeit von zwei bis drei Stunden führt. Doch diese Form des Eingriffs geht mit höherem Blutverlust sowie einem erhöhten Risiko an Wundheilungsstörungen einher. Patienten brauchen oft einige Wochen, um sich wieder problemlos bewegen und ihre Bauchmuskulatur belasten zu können. Bei der sogenannten Schlüsselloch-Chirurgie dagegen beschränkt sich der Eingriff auf vier kurze und einen etwa sieben Zentimeter langen Schnitt. In die kleineren Öffnungen führen die Chirurgen ihre Spezialinstrumente ein; ein etwas längerer Schnitt ist notwendig, um den abgetrennten Leberlappen mit den Metastasen aus dem Körper zu holen.

Klaus Kraft aus Brand-Erbisdorf ist der erste Patient, bei dem das Chirurgenteam um Prof. Weitz gut die Hälfte seiner Leber minimalinvasiv entfernt hat. Notwendig wurde dieser Eingriff, weil die Ärzte im Januar dieses Jahres Darmkrebs in einem fortgeschrittenen Stadium bei dem 79-Jährigen diagnostizierten. Nachdem in einem ersten Schritt die Bauchchirurgen des Dresdner Uniklinikums im Februar ein Teilstück des Dickdarms ebenfalls mit dem schonenden OP-Verfahren entfernten, stellte sich heraus, dass der Tumor bereits gestreut hatte. Folge waren drei Metastasen in der Leber. Nach einer Erholungsphase folgte Ende Juli die zweite OP, um den betroffenen rechten Leberlappen ebenfalls minimalinvasiv zu entfernen. Die siebenstündige, von Prof. Weitz und Oberarzt Prof. Thilo Welsch vorgenommene Operation war ein voller Erfolg: „Nach aktuellem Stand ist der Patient zu 100 Prozent tumorfrei“, erklärt der Klinikdirektor.

Die Zeit nach der Operation gibt dem ungebrochenen Optimismus Recht, mit dem sich Klaus Kraft ein zweites Mal in die Hände der Chirurgen des Dresdner Uniklinikums begab. „Ich hatte vom ersten Tag an keine Schmerzen und konnte mich gut bewegen. Die Physiotherapeutin verblüffte ich mit meinem Wunsch, in der Klinik gleich Treppen steigen zu wollen“, erzählt der 79-Jährige. Gemeinsam mit seinem Bettnachbarn unternahm er Spaziergänge im Klinikumsgelände: „Ich hatte dabei gleich ein gutes Gefühl!“ Gut einen Monat nach der Operation bricht er mit seiner Frau zu ausgedehnten Waldspaziergängen auf. Auf der Suche nach Pilzen war er bereits wieder zwei Stunden in unwegsamem Gelände unterwegs. „Dass der Patient so schnell zu seiner Mobilität zurückgefunden hat, ist auch eine Folge des schonenden minimalinvasiven Eingriffs. Ich freue mich für Herrn Kraft, dass wir ihm mit dem modernen Operationsverfahren ein wichtiges Stück an Lebensqualität erhalten konnten!“, zeigt sich Prof. Weitz zufrieden.