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Juveniles Polyposis Syndrom (JPS)

Das Juvenile Polyposis Syndrom (JPS, Häufigkeit ca. 1:100.000 bis 1:160.000)  ist gekennzeichnet durch das Auftreten juveniler hamartomatöser Polypen im Gastrointestinaltrakt ab dem Kindesalter, die zu chronischen Blut- und Eiweißverlusten und in der Folge Blutarmut (Anämie) und Entwicklungsverzögerungen führen können. Die Anzahl und Lokalisation der Polypen sind variabel. Obwohl die meisten juvenilen Polypen gutartig sind, besteht im Erwachsenenalter ein Entartungspotential mit einem deutlich erhöhten Lebenszeitrisiko für gastrointestinale Tumore von ca. 38-68%, sodass die regelmäßige endoskopische Entfernung der Polypen erforderlich ist. Ferner treten u.a. Epilepsien, angeborene Herzfehler und ein ein großer Kopfumfang gehäuft auf. Bei Betroffenen mit einer SMAD4-Mutation können zudem Symptome einer Hereditären Hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT, Morbus Osler) vorliegen. Bei der HHT kommt es zum Auftreten von Gefäßfehlbildungen der Haut und Schleimhäute (Teleangiektasien) oder der inneren Organe (arteriovenöse Malformationen), die zu chronischen Blutverlusten über den Gastrointestinaltrakt oder akut lebensgefährlichen Blutungen in Lunge oder Gehirn führen können, sodass ergänzende Früherkennungsmaßnahmen erforderlich sind.

Die Diagnose JPS kann bei Vorliegen eines der folgenden Kriterien bereits klinisch gestellt werden:

  • Mehr als fünf juvenile Polypen im Dickdarm oder
  • Multiple juvenile Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt oder
  • Ein oder weniger als fünf juvenile Polypen in Kombination mit einem weiteren betroffenen Familienmitglied

Es sollte aber in jedem Fall eine molekulargenetische Bestätigung der Diagnose mit Identifikation der auslösenden Genveränderung angestrebt werden, um hierdurch Risikopersonen in der Familie identifizieren zu können.

VERERBUNG

Das JPS wird bei ca. 60% der Betroffenen durch eine krankheitsverursachende Veränderung im SMAD4-Gen oder im BMPR1A-Gen hervorgerufen. Die Genveränderung kann von einem Elternteil geerbt worden oder neu entstanden (de-novo) sein. Beide Gene spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation von Zellteilungs-, Differenzierungs- oder Signaltransduktionsprozessen.

Abbildung 1: Schema des BMP/SMAD Signalweges.

Bei vielen Patient*innen mit JPS funktioniert das Rezeptorprotein BMPR1A für das Signalmolekül BMP nicht richtig (Abb.1). Dieses Protein sorgt im gesunden Zustand dafür, dass gealterte Zellen in der Darmschleimhaut ein Signal für den gerichteten Zelltod erhalten und absterben. Dies ist insbesondere im Rahmen der ständigen Erneuerung der Darmschleimhaut essentiell. Durch die Mutation falsch gefaltete Rezeptorproteine können  das Signalmolekül nur noch schlecht oder gar nicht mehr binden, was zur Folge hat, dass die Zelle das Signal zum gerichteten Zelltod nicht mehr erhält. In der Folge bilden sich in der Schleimhaut unkontrolliert Polypen, die später Darmkrebs verursachen können.

Auch eine Mutation im SMAD4 Protein führt zu einer Inaktivierung der durch BMP vermittelten Signalübertragung und somit zu einer Fehlregulation des Zellwachstums/Zelltods.

In seltenen Fällen finden sich auch Mutationen im Gen ENG (Endoglin), das ebenfalls zum TGF-beta-Signalweg gehört und vorrangig mit der Hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT) assoziiert ist. In den übrigen Fällen lassen sich keine ursächlichen Genveränderungen identifizieren.

Das JPS wird autosomal-dominant vererbt, so dass Mutationsträger*innen die krankheitsverursachende Veränderung geschlechtsunabhängig mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an alle Nachkommen weitergeben. In der Regel sind mit gleicher Wahrscheinlichkeit auch weitere erstgradige Angehörige (Geschwister, Eltern) von der Mutation betroffen. Weil nahezu jede*r Mutationsträger*in auch Krankheitssymptome zeigt, spricht man von kompletter Penetranz. Das Ausmaß der Symptome kann jedoch variieren. Sofern eine ursächliche Mutation gefunden wurde, besteht für alle blutsverwandten Angehörigen (Risikopersonen) die Möglichkeit einer prädiktiven (vorhersagenden) Testung ab dem 12-15. Lebensjahr, bei der die Veränderung entweder nachgewiesen oder ausgeschlossen wird.

FRÜHERKENNUNG

  • Komplette Darmspiegelung mit Entfernung von Polypen >10 mm ab dem 12. bis 15. Lebensjahr alle 1 bis 5 Jahre, abhängig vom Befund (Quellen: Van Leerdam, M. E. et al. (2019),  Endoscopy. Georg Thieme Verlag, pp. 877–895. doi: 10.1055/a-0965-0605; Cohen, S. et al. (2019), Journal of Pediatric Gastroenterology and Nutrition, 68(3), pp. 453–462. doi: 10.1097/MPG.0000000000002246.)
  • Magenspiegelung ab 18. Lj. mit Entfernung von Polypen >10 mm alle 1 bis 3 Jahre, abhängig vom Befund

Bei schweren Verläufen kann die teilweise oder komplette Entfernung des Dickdarms (Kolektomie) erforderlich sein. Bei SMAD4-Mutationsträgern ist bei Diagnosestellung überdies ein Screening auf vaskuläre Malformationen erforderlich (Kontrastmittelechokardiographie, MR-Angiographie Schädel).

LITERATUR / LEITFADEN / SELBSTHILFEGRUPPE

LITERATUR

Juvenile Polyposis Syndrome. Haidle JL, Howe JR, GeneReviews