
Hilfe für Familie mit Seltener Erkrankung: Forschende der Dresdner Hochschulmedizin nutzen neue Methode für humangenetische Diagnose
Genetische Diagnostik soll die individuelle Versorgung verbessern. Allerdings sind die Möglichkeiten von Routineverfahren begrenzt. Für eine Familie mit mehreren Angehörigen, die viele Darmpolypen ab dem Kindealter aufwiesen und an Darmtumoren erkrankten, brachte sie keine Ergebnisse. Forschende der Klinischen Genetik und der Translationalen Medizinischen Onkologie am NCT/UCC in Dresden nutzten daraufhin gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Dresden eine neue Technologie zur Sequenzierung der Erbsubstanz sowohl von langen DNA-Stücken als auch der davon abgelesenen RNA. Dabei entdeckten sie ein mobiles Element, das als Ursache für die familiären Auffälligkeiten charakterisiert werden konnte: eine seltene familiäre adenomatöse Polyposis. Bei dieser Erbkrankheit kommt es durch eine krankheitsverursachende Variante zu einer massenhaften Vermehrung von Polypen im Dickdarm. Unbehandelt entwickelt sich bei fast allen Menschen mit der Erkrankung bis zum 40. Lebensjahr Darmkrebs. Kinder von Menschen mit familiärer adenomatöser Polyposis haben ein fünfzigprozentiges Risiko, die krankheitsverursachende Variante zu erhalten und damit ebenfalls zu erkranken.
„Die Diagnose war aus vielen Gründen für die Familie sehr wichtig. Auf dieser Grundlage ist es nun möglich, prädiktive Testungen von Angehörigen durchzuführen. Damit können die Krankheitsdisposition noch vor dem Ausbruch klinischer Symptome erkannt und individuelle Betreuungsempfehlungen gestellt werden“, erläutern Dr. Arne Jahn, Forschungsgruppenleiter „Genetische Tumorrisikosyndrome“ am NCT/UCC Dresden und Prof. Hanno Glimm, Leiter der Abteilung Translationale medizinische Onkologie am NCT/UCC. Beide sind gemeinsam mit Prof. Evelin Schröck, Leiterin des Instituts für Klinische Genetik, Letztautoren der Studie.
„Dieses Projekt ist ein wichtiger Schritt in der Etablierung neuer Sequenziertechnologien und der Kombination verschiedener Datensätze, sogenannten Multi-Omics, um biologische Prozesse und Krankheiten zu untersuchen. Die Analyse multipler Ebenen von DNA und RNA weist einen klaren Vorteil gegenüber aktuell verfügbaren Methoden auf. Künftig werden wir zumindest ausgewählten Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen und Tumorerkrankungen diese Diagnostik anbieten. Wir gehen davon aus, dass dies einen Nutzen in der Versorgung mit sich bringt“, ergänzt Hanno Glimm.
Hintergrund: INSTRUCT
Das Projekt „INSTRUCT“ ist eine Kollaboration zwischen der Forschungsgruppe Genetische Tumorrisikosyndrome am NCT/UCC Dresden, des Instituts für Klinische Genetik am Universitätsklinikum Dresden, das auch Zentrum im Europäischen Referenznetzwerk für genetische Tumorrisikosyndrome (ERN-GENTURIS) ist, und der Translationalen Medizinischen Onkologie am NCT/UCC Dresden mit Beteiligung des DRESDEN concept Genome Centers (DcGC). Die Publikation unterstreicht die Chancen einer breiteren und tieferen genetischen Diagnostik für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Tumorerkrankungen, welche im nationalen Modellvorhaben Genomsequenzierung, u. a. am Standort Dresden, vorangetrieben werden soll.
genomDE- Nationale Strategie für Genommedizin: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/personalisierte-medizin/genomde-de.html
Genomsequenzierung bei Seltenen und Krebserkrankungen
https://www.uniklinikum-dresden.de/de/presse/aktuelle-medien-informationen/genomsequenzierung-bei-seltenen-und-krebserkrankungen
Die Sequenziermethode
Die aktuell in der Routinediagnostik verwendete Sequenzierung (Next Generation Sequencing) liest in einem Lesevorgang hochparallelisiert ca. 150 Basenpaare anhand von spezifischen Lichtsignalen von kurzen DNA Stücken ab. Die Lesevorgänge werden mittels bioinformatischer Software einer Referenz zugeordnet (Mapping), sodass anschließend Varianten im Vergleich zu dieser festgestellt werden können (Varianten calling). Bei der dritten Generation der Sequenzierung können pro Lesevorgang (basierend auf Lichtsignalen oder der elektrischen Spannung einer Pore) mehrere tausend Basenpaare abgelesen werden und somit komplexe genomische Regionen, komplexe strukturelle Varianten und individuelle genetische Eigenschaften besser untersucht werden.
Die Studie: „Long-read genome and RNA sequencingresolve a pathogenic intronic germlineLINE-1 insertion in APC“ (DOI 10.1038/s41525-025-00485-5) ist vor kurzem im „npj Genomic Medicine“ erschienen.
Bildunterschrift:
Neue Methoden für humangenetische Diagnosen erlauben Forschenden der Dresdner Hochschulmedizin die Diagnosestellung einer Seltenen Erkrankung: Zwei Generationen der Familie von Ryssel, wo bei zwei Angehörigen im Rahmen des Forschungsprojektes die Diagnose einer familiären adenomatösen Polyposis gestellt werden konnte. Wissenschaftlerin Alexandra Baumann (rechts) und Facharzt für Humangenetik Dr. med. Arne Jahn (3. v.r.) sind Teil des Forschungsteams aus dem Institut für Klinische Genetik und der Translationalen Medizinischen Onkologie am NCT/UCC in Dresden.
Kontakt:
Dr. med. Arne Jahn
Facharzt für Humangenetik
Institut für Klinische Genetik, Universitätsklinikum Dresden an der TU Dresden
Gruppenleiter der Forschungsgruppe “Genetische Tumorrisikosyndrome”,
Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden
Tel.: +49 (351) 458-4278
E-mail:Arne.Jahn@uniklinikum-dresden.de
https://www.nct-dresden.de/de/das-nctucc-dresden/abteilungen-und-forschungsgruppen/forschungsgruppe-genetische-tumorrisikosyndrome
Anne-Stephanie Vetter
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
der Technischen Universität Dresden
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden
Tel.: +49 (0) 351 458 17903
E-Mail: anne-stephanie.vetter@tu-dresden.de
www.tu-dresden.de/med
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Das NCT Dresden ist Teil des NCT mit weiteren Standorten in Berlin, Heidelberg, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg) und West (Essen/Köln).
Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland. Ziel des NCT ist es, Innovationen in der Krebsforschung zielgerichtet und schnell in Studien zu überführen, um Krebs nach neuestem Stand der Forschung erfolgreich zu diagnostizieren und zu behandeln. Patient:innen sind Forschungspartner auf Augenhöhe.
Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das Dresdner Zentrum von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 26 Kliniken und Polikliniken, sieben Institute und 19 interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten. Mit 1.410 Betten und 201 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 1.122 Ärztinnen und Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 2.214 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patientinnen und Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die an Krebs, Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen leiden.
Die Deutschen Universitätsklinika sind führend in der Therapie komplexer, besonders schwerer oder seltener Erkrankungen. Die 36 Einrichtungen spielen jedoch als Krankenhäuser der Supra-Maximalversorgung nicht nur in diesen Bereichen eine bundesweit tragende Rolle. Die Hochschulmedizin ist gerade dort besonders stark, wo andere Krankenhäuser nicht mehr handeln können: Sie verbindet auf einzigartige Weise Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Die Uniklinika setzen federführend die neuesten medizinischen Innovationen um und bilden die Ärzte von morgen aus. Damit sind "Die Deutschen Universitätsklinika" ein unersetzbarer Impulsgeber im deutschen Gesundheitswesen. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) macht diese besondere Rolle der Hochschulmedizin sichtbar. Mehr Informationen unter: www.uniklinika.de
(gemeinsame Pressemeldung des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC))