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Hereditäre Pankreatitis

Häufig kommt es bereits im Kindesalter zu einer rezidivierenden Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die im Laufe der Zeit chronifiziert. Das Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms ist dadurch deutlich erhöht.

Die familiäre Pankreatitis ist definiert als das gehäufte Auftreten von akuter oder chronischer Pankreatitis innerhalb einer Familie. Es können genetische, aber auch nicht genetische Ursachen zugrunde liegen. Genetische Ursachen beinhalten die Ursachen der hereditären Pankreatitis, die syndromgebundene Pankreatitis und die multigenetische Pankreatitis bzw. die durch Gen-Umwelt-Interaktionen begründete familiäre Pankreatitis.  Die hereditäre Pankreatitis tritt im Schnitt 20-30 Jahre früher auf als die sporadische chronische Pankreatitis, entsprechend höher ist das Risiko für ein assoziiertes Pankreaskarzinom. 

 

Erkrankung

OMIM-PORPHAGenOMIM-GVererbungPrävalenzManifestation
Hereditäre Prankreatitis167800676CTRC6014045autosomal dominant<1:10.000
SPINK1167790
CFTR602421
PRSS1276000
PRSS2601564

KLINISCHE SYMPTOME UND URSACHEN

Eine akute Pankreatitis zeigt sich durch heftige, gürtelförmig um den Leib ziehende Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Fieber. Selten kann es zu einem Darmverschluss kommen.  Eine akute Pankreatitis kann eine lebensbedrohliche Erkrankung sein. Daher erfolgt die Behandlung in der Regel stationär im Krankenhaus und muss oft intensivmedizinisch betreut werden. Die Prognose ist meist gut. Der Großteil der akuten Formen verläuft ohne Komplikationen.

Die chronische Pankreatitis äußert sich in wiederholtem Oberbauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Fehlverdauung, Fettstuhl und Gewichtsabnahme. Bei der fortgeschrittenen chronischen Pankreatitis können weitere Beschwerden auftreten wie Oberbauchschmerzen, Verdauungsproblemen, Gewichtsabnahme und Diabetes mellitus.

Eine Pankreatitis kann mehrere Ursachen haben. Am häufigsten sind Gallensteine und/oder übermäßiger oder chronischer Alkoholmissbrauch. Aber auch Infektionen, eine Nebenschilddrüsenüberfunktion, erhöhte Blutfettwerte,  Pankreastumoren, Bauchverletzungen, autoimmunologische Prozesse, Pankreas divisum, Medikamente oder endoskopische Eingriffe können eine Pankreatitis verursachen. Alle genannten Ursachen resultieren in einer zu frühen, intrapankreatischen Aktivierung der Verdauungsenzyme, wie z. B.  Trypsinogen und Phospholipase A, die eine Selbstverdauung (Autodigestion) des Pankreas nach sich ziehen. Diese Selbstverdauungsprozesse können bei chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündungen das Pankreas dauerhaft schädigen, führen unter Umständen zu Diabetes mellitus und erhöhen das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom).

Bei einem Teil der Patienten lässt sich kein konkreter Auslöser feststellen. In diesen Fällen spricht man von einer ungeklärten Pankreatitis. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich insbesondere in dieser Gruppe gehäuft genetische Risikofaktoren nachweisen lassen, die das Risiko einer „Pankreas-Selbstverdauung“ begünstigen. Ein Gentest auf vererbbare Mutationen in den in der Tabelle zusammengefaßten Gene bzw. wie unter dem Punkt Genetik erläutert ist sinnvoll bei Vorliegen einer ungeklärten Bauchspeicheldrüsenerkrankung und Ausschluss häufiger Ursachen wie Gallensteinleiden oder Alkoholmissbrauch.

Die familiäre Pankreatitis ist definiert als das gehäufte Auftreten von akuter oder chronischer Pankreatitis innerhalb einer Familie. Es können genetische, aber auch nicht genetische Ursachen zugrunde liegen. Genetische Ursachen beinhalten die Ursachen der hereditären Pankreatitis, der syndromgebundenen Pankreatitis und der multigenetischen Pankreatitis bzw. der durch Gen-Umwelt-Interaktionen begründete familiären Pankreatitis.

Den meisten Formen der familiären Pankreatitis liegen komplexe multigenetische oder Gen-Umwelt-Interaktionen zugrunde. Häufig werden dabei Keimbahnmutationen in Genen beobachtet, welche eine Rolle in der Trypsinregulation spielen.

Eine syndromgebundene Pankreatitis tritt assoziiert mit typischen klinischen Syndromen auf, z.B. Pearson marrow pancreas syndrome, CEL Maturity-Onset Diabetes of the Young (CEL-MODY), Johanson-Blizzard-Syndrom, zystische Fibrose, Shwachmann-Diamond-Syndrom, Morbus Wilson und Familiäre Adenomatöse Polyposis.

Bei einer komplexen multigenetischen Pankreatitis sind typischerweise sind nur wenige Familienmitglieder betroffen (2-4). Es liegt bei den betroffenen Patienten eine variable Anzahl von Keimbahnmutationen in Genen vor, die eine Rolle in der Trypsinregulation spielen. Neben heterozygoten Varianten in PRSS1, CFTR und SPINK1 spielen dabei Veränderungen in weiteren Genen, wie CASR, CTRC, CLDN2 und CPA1 eine Rolle.

GENETIK

Die Familiäre Pankreatitis wird durch Mutationen in unterschiedlichen Genen ausgelöst, die an der Trypsinregulation beteiligt sind. In der unten stehenden Abbildung 1 werden die betroffenen Gene bzw. ihre Proteinprodukte sowie ihr Zusammenspiel schematisch zusammengefasst und im folgenden Text näher erläutert.

Heterozygote Mutationen im Gen PRSS1 stellen die genetische Ursache in 60-100% der Patienten mit hereditärer Pankreatitis dar. Die Erkrankung folgt einem autosomal dominanten Erbgang. Häufig kommt es bereits um das 10. Lebensjahr zur Manifestation der Erkrankung. PRSS1 kodiert für Trypsin-1, welches die Hauptisoform von Trypsinogen ist und von der Bauchspeicheldrüse synthetisiert und ausgeschieden wird. Im gesunden Zustand wird Trypsinogen erst im Zwölffingerdarm zu Trypsin-1 aktiviert und unterstützt dort die Verdauung der Nahrung. PRSS1-Mutationen erhöhen die autokatalytische Umwandlung von Trypsinogen zu aktivem Trypsin und verursachen damit wahrscheinlich eine vorzeitige, intrapankreatische Trypsinogen-Aktivierung, die das intrapankreatische Gleichgewicht von Proteasen und deren Inhibitoren stört. Auch Duplikationen von PRSS1 können ursächlich für eine hereditäre Pankreatitis sein.

Biallelische Mutationen in SPINK1 und CFTR führen zur autosomal rezessiven Pankreatitis. Die physiologische Aufgabe von SPINK1 ist die Hemmung des Verdauungsenzyms Trypsin innerhalb des Pankreas, wo Trypsin als inaktives Vorläuferenzym gespeichert wird. Eine vorzeitige Aktivierung führt ohne die hemmende Funktion von SPINK1 zum Selbstverdau des Pankreas und anschließend zur Pankreatitis. Die Allelfrequenz der pathologischen Variante p.Asn34Ser beträgt in den USA, Europa und Indien 3%.

CFTR spielt eine wichtige Rolle bei der bikarbonatreichen Flüssigkeitssekretion in den Pankreasgangzellen. Bei Auftreten von biallelischen pathologischen Mutationen können die inaktiven Vorstufen der Pankreasenzyme nicht mehr ausreichend ins Duodenum gespült werden. Es kommt zur Retention und schließlich zur Aktivierung der Pankreasenzyme. Der Verdau des angrenzenden Pankreasgewebes führt zum klinischen Bild der akuten Pankreatitis. Die Mutationen unterscheiden sich im Falle einer isolierten chronischen Pankreatitis dabei häufig von den krankheitsverursachenden Mutationen der zystischen Fibrose. So kann primär die Bikarbonatsekretion beeinträchtig sein bei erhaltener Chloridregulation (normaler Schweißtest).

 

Modell der erblichen Pankreatitis.
Abb. 1: Modell der erblichen Pankreatitis. Im gesunden Pankreas verhindern SPINK1 und Trypsin selbst die Aktivierung der Verdauungsenzymkaskade. Dieser Abwehrmechanismus verhindert, dass die Enzymkaskade in der Bauchspeicheldrüse aktiviert wird. Ob und wie CFTR in diesen Regelkreis eingreift, ist bis heute nur unvollständig verstanden. Bei der erblichen Pankreatitis führen Mutationen des Trypsinogens und seines Inhibitors, SPINK1, zu einer vermehrten intrapankreatischen Trypsinaktivität, die die Enzymkaskade und damit die Selbstverdauung des Pankreas in Gang setzt. Zusätzlich kann eine Mutation im CFTR Gen dazu führen, dass der Abfluss von aktiviertem Trypsin vermindert wird und zu einer Pankreatitis führt.

LITERATUR / LEITFADEN / SELBSTHILFEGRUPPE

LITERATUR

Pancreatitis Overview. Celeste Shelton, PhD, CGC, Jessica LaRusch, PhD, and David C Whitcomb, MD, PhD. Gene Reviews.

PRSS1-Related Hereditary Pancreatitis. Celeste Shelton, MS, CGC, PhD, Sheila Solomon, MS, CGC, Jessica LaRusch, PhD, and David C Whitcomb, MD, PhD. Gene Reviews.

Akute Pankreatitis. Evidenzbasierte Diagnostik und TherapieHuber, W.,Schmid, RM. Dtsch Arztebl 2007; 104(25): A-1832 / B-1615 / C-1555

LEITLINIEN

Chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik und Therapie. Mayerle J, Hoffmeister A, Werner J, Witt H, Lerch MM, Mössner J. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(22): 387-93; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0387

 SELBSTHILFEGRUPPE

DEUTSCHE PANKREASHILFE E.V.

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