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18.06.2019 - Schädel-Hirn-Trauma – bleibt´s beim kurzen Schrecken?

18.06.2019 - Schädel-Hirn-Trauma – bleibt´s beim kurzen Schrecken?

Diagnostik und Neurofeedback-Therapie gegen Spätfolgen: Projekt zur ambulanten Nachsorge bei Kindern und Jugendlichen mit Konzentrationsproblemen nach Unfällen.

Am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden haben sich die Kliniken für Kinderchirurgie, für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie die Abteilung für Neuropädiatrie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin zusammengeschlossen, um im Rahmen eines neuen Kooperationsprojektes Bedarf und Wirksamkeit eines Nachsorgeprogramms für Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma zu ermitteln. Der Fokus des Projektes und der damit verbundenen wissenschaftlichen Untersuchungen liegt auf Kindern und Jugendlichen im Alter von acht bis 15 Jahren, die aufgrund eines Schädel-Hirn-Trauma stationär im Universitätsklinikum behandelt wurden. Sind bei ihnen noch Monate nach dem Klinikaufenthalt Probleme bei verschiedenen Denkvorgängen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder Handlungsplanung feststellbar, haben sie im Rahmen des Projekts die Chance, diese Probleme mit der Methode des Neurofeedbacks zu therapieren.

Vor allem Jungs lieben es, ihre Limits auszutesten – beispielsweise auf dem Skateboard oder dem Fahrrad kann es dabei schon einmal zum Crash kommen, der in der Notaufnahme eines Krankenhauses endet. Die Klinik für Kinderchirurgie zählte allein im Jahr 2018 rund 10.000 Kinder und Jugendliche, die nach Unfällen aller Art eingeliefert wurden. Neben Knochenbrüchen, Platz- und Risswunden diagnostizieren die Chirurgen gemeinsam mit ihren Kollegen der Anästhesie und Neuropädiatrie in 554 Fällen auch ein Schädel-Hirn-Trauma – Grund genug, den Patienten zur Beobachtung ins Uniklinikum aufzunehmen.

Während sich nach der Entlassung auch die Eltern freuen, dass Wunden und Brüche in der Regel schnell verheilen, beobachten sie in einigen Fällen – Experten schätzen bei etwa 20 Prozent der Patienten – Veränderungen im Verhalten und der geistigen Leistungsfähigkeit ihrer Kinder. Früher so aufmerksame Schüler schaffen es auch Monate nach dem Unfall plötzlich nicht mehr, sich eine Schulstunde lang zu konzentrieren, sie sind häufiger müde oder haben wiederkehrende Kopfschmerzen. Klar zu diagnostizierende Schädigungen des Gehirns, die zum Beispiel auf einem MRT-Bild erkennbar sind, haben diese Patienten in der Regel nicht. Und doch kann es sein, dass das Schädel-Hirn-Trauma Mikrostrukturen im Gehirn in Mitleidenschaft gezogen hat – etwa lange Nervenfasern, die Areale des Gehirns verbinden. Auch die Weiße Substanz, die einzelne Hirnregionen voneinander isoliert, kann durch den Unfall oder Sturz Schaden genommen haben und zu Problemen in den Denkvorgängen führen. Das neue Kooperationsprojekt hat zum Ziel, für solche psychologischen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas ein gezieltes ambulantes Versorgungsangebot für betroffene Patienten zu schaffen.

Glücklicherweise hat das Gehirn genügend Kapazitäten, um diese von kleinen Läsionen verursachten Defizite durch ein gezieltes Training auszugleichen. Das Projekt will dazu das Neurofeedback als neuen Therapieansatz für Kinder und Jugendliche nach einem Schädel-Hirn-Trauma nutzen. Ein weiteres Ziel des fachübergreifenden Projektes ist es daher, die Wirksamkeit dieser Methode für betroffene Patienten zu optimieren und entsprechende individuelle Behandlungsoptionen in der Nachsorge zu schaffen. Dazu können sich die Eltern bereits bei der Entlassung aus dem Krankenhaus entscheiden, ob Sie grundsätzlich an einer Teilnahme an dem Projekt interessiert sind. Drei Monate später werden sie dann von dem Forscherteam erstmals kontaktiert und gefragt, ob sie seit dem Schädel-Hirn-Trauma Probleme in der Aufmerksamkeit oder anderen Denkvorgängen ihrer Kinder beobachtet haben. Falls dies der Fall ist, erhalten die Kinder und Jugendlichen einen Diagnostiktermin im Uniklinikum. In diesem Rahmen werden Aufmerksamkeit, Gedächtnis und das allgemeine geistige Leistungsvermögen getestet, über Fragebögen die Symptome erfasst und die Gehirnaktivität mittels EEG gemessen. Dazu müssen die Probanden Aufmerksamkeitsaufgaben am PC erledigen. Sollten sich bei diesen Untersuchungen die geschilderten Probleme bestätigen und die Teilnahme sinnvoll und notwendig erscheinen, kann die Aufnahme in die Neurofeedbackbehandlung erfolgen.

Was ist eigentlich Neurofeedback?
Traditionell ist Neurofeedback an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Angebot für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen wie zum Beispiel ADHS. Ziel des Neurofeedbacks ist es, die mit Aufmerksamkeit verbundene Gehirnaktivität zu erhöhen. Dafür wird die mit fünf Elektroden gemessene Gehirnaktivität in ein einfaches Computerspiel – etwa ein Autorennen – umgewandelt. Mit einem höheren Konzentrationslevel geht eine Erhöhung der Gehirnaktivität einher – dadurch lässt sich beim Neurofeedback das Autorennen steuern. Durch ein intensives Training besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich auch generell Fortschritte beim Leistungsvermögen erreichen lassen. Der Patient kann so lernen, seine Konzentration bewusster zu steuern. Der Therapeut erarbeitet mit dem Patienten Konzentrationsstrategien, die auch im Alltag nutzbar sind. Das Training wird durch psychotherapeutische Elemente unterstützt. Um eine bedeutsame Verringerung der Aufmerksamkeitsprobleme in verschiedenen Bereichen zu erreichen, findet das Neurofeedback acht Wochen lang je zweimal wöchentlich statt. Neben einer psychischen Erkrankung oder einem Unfall können auch verschiedenen körperliche Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen zu Aufmerksamkeitsproblemen führen. Auch in diesem Fall kann nach erfolgter Diagnostik eine Neurofeedbackbehandlung passend sein.

Die Leiter des neuen Kooperationsprojektes streben mit dieser Initiative an, die längerfristige klinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Schädel-Hirn-Trauma zu verbessern und auszuweiten. Damit soll ein entscheidender Beitrag zur Patientenversorgung und auch zum wissenschaftlichen Kenntnisstand zu Spätfolgen eines Schädel-Hirn-Traumas geleistet werden.

Kontakt für Patienten
Betroffene, die an einer Teilnahme interessiert sind, können sich sehr gern an uns wenden:

Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Direktor: Prof. Dr. med. Veit Rößner