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18. November 2008

19. November 2012: Mädchen sind anders

Mit der Ambulanz für Kinder- und Jugendgynäkologie eröffnet eine neue Anlaufstelle für die jüngsten Patienten der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Ob es um das gänzliche Ausbleiben der Menstruation geht, um Verwachsungen und Fehlbildungen der weiblichen Geschlechtsorgane in der Kindheit oder um Infektionen beziehungsweise Verletzungen etwa infolge von Missbrauch: Mit der Kinder- und Jugendgynäkologischen Sprechstunde am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden gibt es für solche Fälle eine neue Anlaufstelle. Hier ist eine der sachsenweit drei Ärztinnen mit entsprechender Zusatzqualifikation der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie e.V. für die Patientinnen da. Als einzige ambulante kindergynäkologische Anlaufstelle verfügt sie über eine direkte Anbindung an ein Krankenhaus und kooperiert bei Bedarf mit Spezialisten der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin, für Kinderchirurgie und des Instituts für Radiologie sowie Experten anderer Fachrichtungen. Auch in der Kinderschutzgruppe des Universitätsklinikums Dresden, die bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung oder Missbrauch aktiv wird, ist die kindergynäkologische Ambulanz eng eingebunden.

„Unser Auftrag als Universitätsklinikum und Krankenhaus der Maximalversorgung ist es, auch den Patienten zu helfen, die an seltenen oder besonders komplexen Erkrankungen leiden. Angesichts des ständig weiter wachsenden Wissens in der Medizin möchten wir die Sprechstunden in unserer Klinikambulanz weiter differenzieren, um unsere Patientinnen jeweils auf dem aktuellsten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis behandeln zu können“, sagt Prof. Pauline Wimberger, die im Juli 2012 die Leitung der Uni-Frauenklinik übernommen hat. Den Anfang dieses breiter gefächerten Angebots an Spezialsprechstunden macht Kinder- und Jugendgynäkologie.

Die ältesten Patientinnen in der Kinder- und Jugendgynäkologischen Sprechstunde von Frauenärztin Dr. Christine Hirchenhain sind noch nicht 18 Jahre alt, die jüngsten gerade einmal wenige Wochen. Sie werden vom Kinderarzt überwiesen, Jugendliche auch von niedergelassenen Gynäkologen. Oft sind es zuerst die Mütter, denen an der Tochter etwas Ungewöhnliches auffiel: „Wenn beispielsweise bei einem 5- oder 6-jährigen Mädchen eitriger oder blutiger Ausfluss sichtbar ist oder Veränderungen an den äußeren Geschlechtsorganen zu sehen sind, ist das – zu Recht – ein Alarmsignal“, erläutert Dr. Hirchenhain. „Falls es sich  um Verletzungen, Infektionen oder seltene Hautveränderungen handelt, die häufig mit starken Beschwerden der kleinen Mädchen verbunden sind, müssen wir handeln.“ Dank ihrer Spezialausbildung verfügt die Gynäkologin über spezielle Untersuchungstechniken, denn bei ihren jungen Patientinnen geht es nicht nur um eine kindgerechte Ansprache. Auch die anatomischen Verhältnisse sind völlig anders. Bei Bedarf zieht die Ärztin Endokrinologen – Spezialisten für Störungen des Hormonsystems – aus der Kinderklinik, Kinderradiologen oder Kinderchirurgen hinzu. In seltenen Fällen kann eine Untersuchung der kleinen Mädchen in Narkose notwendig sein. Aber nur dann, wenn die Untersuchung ansonsten zu schmerzhaft wäre und die Mädchen zusätzlich traumatisieren würde. „Wichtig ist, dass die Mädchen Vertrauen zu mir aufbauen, dann lassen sich auch kompliziertere Untersuchungen problemlos vornehmen“ sagt Dr. Hirchenhain. Aus psychologischer Sicht haben Fünf- oder Sechsjährige nach den Erfahrungen der Ärztin eher wenige Probleme mit der Untersuchung: „Für sie ist das ähnlich wie beim Kinderarzt. Sensibler wird es bei Jugendlichen. Denn es geht in der Gynäkologie immer auch um Fruchtbarkeit – die Fähigkeit, einmal Kinder zu bekommen. Und das ist ein sehr wesentlicher Teil unserer Persönlichkeit.“

Das trifft auch umgekehrt zu: Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie (Ess-Brech-Sucht), die vorrangig als psychische Erkrankungen gelten, wirken sich auf die Fruchtbarkeit aus – „und zwar ziemlich dramatisch“, schildert Dr. Hirchenhain. „Selbst wenn das Selbstbild und damit Ernährung und Körpergewicht längst wieder stimmen, kann der weibliche Zyklus auf Jahre hinaus unterdrückt sein.“ Hormonpräparate helfen dann, alles wieder ins Lot zu bringen.

Rechtssicher dokumentiert
Auch bei Verdacht auf Kindesmissbrauch ist die Expertise von Dr. Hirchenhain gefragt. Hier schaltet sich sofort die Kinderschutzgruppe des Uniklinikums ein, und die Frauenärztin zieht erfahrene Rechtsmediziner zur Untersuchung hinzu: „Wichtig ist zum einen, dass wir einschlägige Verletzungen als Folgen eines Missbrauchs erkennen. Das ist nicht trivial, zumal gerade bei kleinen Kindern die Heilung meist rasch verläuft. Zum anderen dokumentieren wir sämtliche Befunde gerichtsfest. Das erspart dem betroffenen Kind im Zweifel eine erneute Untersuchung, die ja auch ein neues Trauma auslösen kann.“ 

Die meisten ihrer jungen Patientinnen sieht Dr. Hirchenhain nur einmal, dann werden sie – sofern nötig – durch pädiatrische Endokrinologen, niedergelassene Kinderärzte oder Gynäkologen – oder auch durch Spezialisten anderer Fachrichtungen weiterbetreut. Ein anderes Thema liegt der Ärztin aber ebenso am Herzen: Die Krebsvorsorge junger Frauen und Mädchen. Denn auch Patientinnen mit Veränderungen  am Gebärmutterhals oder der Scheide kommen zu ihr in die gynäkologische Ambulanz der Universitäts-Frauenklinik. Sie muss abklären, ob es sich um Krebsvorstufen handelt. „Viele davon sind vermeidbar“, sagt sie, und verweist auf die HPV-Impfung, zu der sie gern berät.

Kontakt
Universitätsklinikum Dresden
Klinik für Frauenheilkunde
Dr. Christine Hirchenhain
Tel.: 0351 458-3420
E-Mail: christine.hirchenhain@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de/gyn