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20.12.2023 - Betroffenenbericht einer Familie aus unserem Spezialbereich Zwangsstörungen

In der Ausgabe 04/2023 der Z-Aktuell (Mitgliederzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen e.V.) erschien der Bericht einer Familie, welche sich mit der Bitte um Unterstützung an unseren Spezialbereich Tic- und Zwangsstörungen gewandt hatte. 

Den Text können Sie auch hier nachlesen und finden diesen auch unter den Betroffeneberichten in unserem Behandlungsschwerpunkt "Zwangsstörungen".

Familie G. aus Plauen:

Unser Sohn (15 Jahre) leidet seit vier Jahren unter einer starken Angststörung, die sich über den gesamten Zeitraum in verschiedenen Ausprägungen in Form von Zwängen zeigte und immer weiter steigerte. Zuletzt hatte unser Sohn mit über 30 Zwängen täglich zu kämpfen, was zu Isolation, Aggression und Erschöpfung führte. Ein Familienleben war nicht mehr möglich und wir wurden durch diese Art der Krankheitsausprägung weit über unsere Belastungsgrenze gebracht. Natürlich haben wir entsprechende Therapeuten und Ärzte aufgesucht. Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten wie Homöopathie, ganzheitliche Gesprächstherapie, ja sogar Hypnose versucht. Wir haben eine regionale Jugendpsychiatrie, aufgrund notwendig gewordener Akutbehandlung, aufgesucht. Aber alles ohne nennenswerten Erfolg. Zuletzt fanden wir eine Ärztin, welche uns die Spezialstation für Zwänge und Tics im Uniklinikum Dresden empfahl. Unser Sohn war zu diesem Zeitpunkt nicht bereit, den Schritt der stationären Behandlung mitzugehen. Das machte es für uns umso schwerer, aber es drohte die gesamte Familie (wir haben noch weitere Kinder) zu zerbrechen. Gegen den Willen unseres Sohnes erfolgte die Einweisung.

Am Anfang war es für uns alle sehr schwer, diese neue Situation auszuhalten. Aber durch die ausgeprägte Kompetenz des gesamten Stationspersonals und deren intensive Begleitung konnten wir von Anfang an ein hohes Vertrauen zu dieser Maßnahme aufbauen. Wir verstanden sehr schnell, dass der gesamte Ablauf auf Station therapeutischen Charakter hat. Struktur, gelebte Konsequenz, die individuelle Behandlung und die Einbeziehung des Familiensystems in die komplexen therapeutischen Maßnahmen führten merklich zu schrittweisen Veränderungen im Verhalten unseres Sohnes. Hinzu kam nicht zuletzt das Gefühl von Geborgenheit was unser „Patient“ entwickeln konnte und dazu führte, dass er sich nach einigen Wochen dieser veränderten Situation ergab.

Unsere Erwartungshaltung war vor Beginn der Maßnahme Akzeptanz seitens unseres Sohnes. Am Ende schaffte es das Team der KJPS4 in unserem Sohn einen Erkenntnisprozess einzuleiten, der von anfänglich totaler Ablehnung hin zu vollkommener Öffnung und Wertschätzung führte. Durch harte Arbeit und intensive „Trainingseinheiten“ gelang in knapp sechs Monaten eine „Neuprogrammierung“ unseres Sohnes. Die Folge ist wieder echte Teilnahme am Leben und ein „normales“ Leben mit der Angst. Darüber hinaus ist unser Sohn selbständig geworden, bucht und benutzt eigenständig öffentliche Verkehrsmittel zur An- und Abreise zu unserem zweistündig entfernten Wohnort. Und das mit allem was dazu gehört (Bus, Straßenbahn, Regionalbahn, Schienenersatzverkehr, usw.). Er hat sich Sozialkompetenzen wie Diskussionsführung und Konfliktfähigkeit angeeignet und Veränderungsbereitschaft erlernt.

Es kam letztlich zu einer gewaltigen Kernaussage unseres Sohnes, indem er sich bei uns Eltern bedankte, dass wir diesen Schritt mit ihm gegangen sind. Dieser Dank gilt dem gesamten Team der KJPS4! Durch diese Spezialstation haben wir unseren Sohn wiederbekommen, den wir schon lange verloren hatten. Wir haben Lebensqualität wiedererlangt, die wir schon komplett vergessen hatten. Abschließend dürfen und müssen wir konstatieren, dass unsere Erwartungen weit übertroffen wurden!

Eine kritische Bemerkung müssen wir in diesem Kontext anfügen. Leider steht diese sehr gute und zielführende Behandlungsmöglichkeit nur eingeschränkt zur Verfügung. Die Warteliste ist lang und viele Jugendliche kommen erst gar nicht in den Genuss dieser Heilungschance. Hier wäre es wünschenswert, wenn genau diese Form und das Konzept der Behandlung auf weitere Bundesländer und Städte ausgeweitet würde.