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Die Geschichte der Autismusambulanz

Die Anfänge

Aufbau von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

Seit 1968 begann der Aufbau von Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung beim Caritasverband des Bistums Dresden-Meißen.

In Dresden entstanden die Tagesstätte St. Franziskus und die Förderwerkstatt St. Josef. In Wermsdorf, Panschwitz-Kuckau und Schlegel wurden Wohnheime und Förderstätten eröffnet.

1968 Anstellung von Frau Dr. H. Freund, seit 1970 Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und seit 1974 auch für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zur fachlichen Beratung und Mitarbeit.  

In die Einrichtungen wurden Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen sowohl aus den überfüllten stationären psychiatrischen Krankenhäusern als auch aus dem häuslichen Bereich aufgenommen. Überall wurden auch besonders schwierige, verhaltensauffällige Kinder und Erwachsene aufgenommen. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, waren darunter auch Personen mit einer autistischen Behinderung. Diese wurden damals oft mangelversorgt. 

Platzhalter Bild1969 Caritasheim Wermsdorf, jetzt Wohnheim St. Elisabeth und Werkstatt CSW

Platzhalter Bild1970 Tagesstätte St. Franziskus mit Hilfe der Nazarethschwestern in Goppeln (bis 1987), seit 1982 Schule für Geistigbehinderte St. Franziskus, CSW (Caritas Sozialwerk) 
1972 Förderwerkstatt St. Josef, Tolkewitzer Straße bis 1992, jetzt Werkstatt für Menschen mit Behinderungen St. Josef in Dresden, Zschierener Elbstraße und Mügelner Straße, CSW

Platzhalter Bild1974 Wohnheim mit Tagesstätte und Förderwerkstatt im Kloster St. Marienstern, Panschwitz-Kuckau, bei intensiver Mitarbeit der Zisterzienserinnen.

Platzhalter Bild1976 Wohnheim und Förderwerkstatt für Erwachsene im Klostergut Schlegel

Organisation der Eltern-Selbsthilfegruppe und erste gezielte Zusammenarbeit mit Eltern autistischer Kinder

1979 entstand auf Initiative von Familie Ballnus eine Selbsthilfegruppe von Eltern autistischer Kinder unter dem Dach der evangelischen Zions-Kirche in Dresden.

Mitarbeiter*innen der Caritaseinrichtungen in Dresden - darunter auch Frau Dr. Freund - wurden um Mitarbeit gebeten und nahmen an den regelmäßigen Treffen teil. Fachliche Unterstützung leistete die Bremer Autismusambulanz unter Leitung von Herrn Cordes.

Bei den regelmäßigen Treffen berichteten die Eltern über die Entwicklung der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Es fand ein reger Erfahrungsaustausch statt, Literatur und Kontaktmöglichkeiten wurden weitergegeben und Verhaltenstipps für verschiedene Situationen ausgetauscht.

Bald gab es in den Räumen der Diakonie Berlin eine DDR-weite Eltern-Mitarbeiter-Arbeitsgruppe, die sich 3- bis 4-mal jährlich traf und an der auch Herr Cordes aus Bremen oft teilnahm. Zwischen 1981 und 1983 konnten mit Hilfe des damaligen „Bremer Projektes“ mehrwöchige Verhaltenstherapieausbildungen für Mitarbeiter*innen finanziert und von der Diakonie organisiert werden. Daran konnten auch zwei Mitarbeiter*innen der Caritaseinrichtungen aus Dresden teilnehmen.

Unter der Federführung der Diakonie fanden zwischen 1983 und 1989 interessante Fortbildungen zum Thema Autismus statt, bei denen Fachleute aus Bremen, Münster, aber auch aus den Samariteranstalten Fürstenwalde und aus Dresden Vorträge hielten und erarbeitete Materialien verteilten. Mitarbeiter*innen aus staatlichen Einrichtungen nahmen mangels anderer spezifischer Autismus-Fortbildungsmöglichkeiten sehr gern daran teil.

In der Dresdner Elterngruppe wurde bald deutlich, dass individuelle Hilfen und Gespräche erforderlich waren. Frau Dr.  Freund und ein Mitarbeiter der Werkstatt, Herr Vogel, richteten wöchentlich zunächst einen speziellen Beratungs- und Betreuungsnachmittag ein. Ein weiterer Mitarbeiter leitete eine Erwachsenengruppe. 1984 gab es 2 bis 3 Betreuungs- und Therapietage und einen ärztlich besetzten Beratungstag.

Platzhalter BildBetroffene Familien organisieren mehrtägige Elternkurse und tauschen Erfahrungen aus.

Platzhalter BildEltern sammeln erste therapeutische Erfahrungen und erstellen selbst Arbeitsmaterialien zur Förderung.

Platzhalter BildErstes inoffizielles ost-west-deutsches Arbeitstreffen in Dresden: Frau Hopfe - betroffene Mutter aus Thüringen - Frau Dr. Freund, Frau Ballnus und Herr Cordes aus Bremen.

Offizielle Genehmigung der Beratungsstelle

1984 erfolgte durch Verhandlungen des damaligen Caritasdirektors mit dem Bezirksarzt des Bezirkes Dresden die Genehmigung und damit finanzielle Unterstützung, die unter dem Dach der Tages- und Förderstätte entstandene Anlaufstelle offiziell als „Beratungsstelle für Eltern mit hirngeschädigten, verhaltensauffälligen und autistischen Kindern“ in der Trägerschaft der Diözesancaritas (ab 1990 Caritasverband) des Bistums Dresden-Meißen zu führen.

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Die Beratungsstelle gehörte formell zur Förderwerkstatt St. Josef und wurde über einen separaten pauschalen Kostensatz finanziert. Dadurch war neben den bisherigen zwei Teilzeitstellen die Festanstellung eines Therapeuten und ab 1986 die Beschäftigung einer Psychologin möglich.

Die intensive Arbeit umfasste:

  • Diagnostik zu Entwicklung, Intelligenz und – im Rahmen der Möglichkeiten – zum Autismus
  • therapeutische Maßnahmen – basierend auf Verhaltenstherapie, sensorischer Integration, Kiphard-Programm u. a. – sowie soziale Übungsgruppen für Erwachsene
  • Elternaustausch und gemeinsame Wandertage
  • Beratungsgespräche für Eltern und andere Bezugspersonen
  • Ein- und mehrtägige Fortbildungen für Eltern und Mitarbeiter*innen

Die Beratungsstelle war offen für Eltern aus Dresden, aber auch aus Cottbus, Berlin, Erfurt, Magdeburg und anderen Orten.

Platzhalter BildIn kirchlichen Rüstzeit- bzw. Exerzitienheimen fanden Kurse zur Verhaltensmodifikation statt, bei denen die gesamte Familie über eine Woche eingebunden war. Für die Betreuung der behinderten Kinder und deren Geschwister wurde durch ein Helferteam gesorgt.

Platzhalter BildErste Erfahrungen mit der Einzeltherapie von autistischen Kindern.


Das erste Autismus-Heft der DDR

1986 gab die Dresdner Arbeitsgruppe mit Hilfe des Diakonischen Werkes das erste Autismus-Heft heraus. Der notwendige Vermerk „nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“ hielt auch Mitarbeiter*innen staatlicher Institutionen nicht ab, das Heft zu erwerben. Es war schnell vergriffen und wurde dreimal wieder aufgelegt.

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Auszüge aus dem ersten offiziell gedruckten Autismusheft von 1986. Erste selbsterstellte Arbeits- und Informationsmaterialien entstehen bereits Anfang der 1980er Jahre.

Schwerpunkt schulische Förderung

Prinzipiell wurden in der DDR alle Kinder mit einer schweren Behinderung ausgeschult. Dies betraf auch die Kinder mit Autismus, die über hohe intellektuelle Fähigkeiten verfügten. Auf Betreiben der Beratungsstelle konnte für einige autistische Kinder die Genehmigung für einen stundenweisen Einzelunterricht erreicht werden. Der Bedarf musste jedoch durch tageweise Probebeschulungen jedes Jahr wieder nachgewiesen werden.

1987 entstand eine erste Schulgruppe mit autistischen Kindern in einer staatlichen Schule – damals Hilfsschule. Auch nach der Wende blieb es schwierig, für die Kinder und Jugendlichen mit Autismus eine geeignete Form der Beschulung zu finden. Durch persönliche Beziehungen und besonderes Engagement gelang es zu Beginn der 1990er Jahre, für einige autistische Jugendliche eine stundenweise Teilnahme am Unterricht an Regelschulen mit individueller Begleitung zu vereinbaren.

Durch erfolgreiche Verhandlungen mit dem Sozialamt der Stadt Dresden wurde 1997 eine erste Schulbegleitung eines autistischen Jungen genehmigt, so dass die Einschulung in eine Regelschule möglich war. Unter Anleitung erfahrener Psychologinnen und Psychologen wurde in der Folge der Fachbereich „Schulbegleitung“ aufgebaut. Die Einstellung weiterer Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie einer Heilerziehungspflegerin war erforderlich.

Platzhalter BildMit großem persönlichem Engagement konnte Frau Dr. Freund besondere Lernbedingungen für die bis dahin nicht beschulbaren Kinder erreichen.

Platzhalter BildIm einzeltherapeutischen Setting wurden die Kinder auf schulische Anforderungen vorbereitet.

Platzhalter BildAuszug aus "Autistische Kinder", 1986.


Die Autismusambulanz in Trägerschaft des St.-Marien-Krankenhauses

1992 gingen die Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung in die Trägerschaft des Caritas-Sozialwerkes (CSW) über. Gleichzeitig entstand eine Frühförderstelle des CSW. Im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umstrukturierungen wurde die Beratungsstelle als „Diagnostisch-therapeutische Ambulanz für Menschen mit autistischer Behinderung“ in die Trägerschaft des St. Marienkrankenhauses als Außenstelle der dortigen Institutsambulanz übernommen.

1992 gründete die Eltern-Selbsthilfegruppe den Verein „Hilfe für das autistische Kind“, Regionalverband Dresden, der sich dem gleichnamigen Bundesverband anschloss (heute: „autismus Dresden e. V.”). Zwischen der Ambulanz und dem Elternverein bestand weiterhin eine enge Zusammenarbeit. Eine intensive Zusammenarbeit entstand mit verschiedenen Schulen, Kindertagesstätten und Einrichtungen der Behindertenhilfe verschiedener Träger (Diakonie, Caritas, CSW, AWO, Lebenshilfe, staatliche und städtische Einrichtungen u. a.) in Dresden und Umgebung.

Die Angebote umfassten:

  • Wöchentliche Therapiestunden für ca. 20-25 Kinder
  • Soziale Übungsgruppen für Jugendliche und Erwachsene
  • Diagnostische Maßnahmen
  • Beratung der Eltern und Bezugspersonen

Einmal monatlich richteten die Mitarbeiter*innen einen Betreuungssamstag ein, der zum einen für die Betroffenen soziale Übungssituationen bieten, zum anderen zur Entlastung der Eltern beitragen sollte.

Außerdem wurden Eltern, Bezugspersonen, Therapeut*innen und Interessenten regelmäßig Weiterbildungen zu folgenden Themen angeboten:

  • Verhaltensmodifikation7_web.png
  • Besonderheiten der Wahrnehmung
  • Sensomotorisches Übungsprogramm nach Kiphard,

später auch zu

  • Kommunikation
  • Rhythmisch-musikalischer Arbeit und
  • Strukturiertem Lernen.

Als wichtige Bezugspersonen wurden die Großeltern und Geschwister regelmäßig zu Treffen eingeladen. 

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1992 verfügte die Autismusambulanz in den Dachräumen der Tolkewitzer Straße über drei Räume. Als Mitarbeiterinnen waren eine Therapeutin, eine Fachärztin, eine Psychologin und eine Verwaltungsmitarbeiterin - selbst Mutter eines autistischen Sohnes - angestellt.

 

Erster Umzug und Erweiterung

Im Januar 1997 erfolgte der Umzug der Ambulanz auf die Dornblüthstraße 28 und 2001 die Erweiterung auf das gesamte Erdgeschoss. 2002 arbeiten in der Autismusambulanz 10 Mitarbeiter:

  • 1 Fachärztin für Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie,
  • 2 Psychologen,
  • 1 Heilpädagogin/Musiktherapeutin,
  • 1 Sozialpädagogin,
  • 2 Ergotherapeutinnen,
  • stundenweise 1 Kunsttherapeutin und
  • 2 Verwaltungsmitarbeiterinnen.

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Durch die Erweiterung der Räumlichkeiten und die Einstellung neuer Mitarbeiter*innen konnte das Angebot an Diagnostik, Therapie, Beratung und Weiterbildung stetig ergänzt werden. Als Ergänzung zur Einzelförderung konnten Gruppenangebote mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung für die verschiedenen Altersgruppen ausgebaut werden:

  • Alltags- und Sozialtrainingsgruppen
  • Rhythmik- und Tanzgruppen
  • Handwerks- und Kochgruppen
  • Vorschulgruppen
  • Integrative Malgruppen
  • Entspannungsgruppen
  • Sport- und Schwimmgruppen

In den 1990er Jahren wurden die ambulanten Eingliederungshilfen in Schule, Freizeit und Arbeitsleben weiter ausgebaut, um auch schwerer behinderten Menschen den Zugang zu den bestehenden Einrichtungen zu ermöglichen. Auch Beratung für Betroffene, Eltern und außerfamiliäre Bezugspersonen sowie Teamgespräche und Krisenintervention blieben wichtiger Bestandteil der Arbeit.

Platzhalter BildTanzfest der Rhythmusgruppe in der Versöhnungskirche.

Platzhalter BildUnter Leitung der Kunsttherapeutin Carla Weckeßer fanden integrative Malgruppen und Wochenendfahrten statt. Die entstandenen Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt.

Platzhalter BildIn der Therapie kamen neben verhaltenstherapeutischen Maßnahmen verschiedene Verfahren zur Förderung der Wahrnehmung, der Motorik, der Selbstständigkeit, der Kommunikation, des Sozialverhaltens und der Entspannung zum Einsatz.


Kontinuität im Wandel

Die Autismusambulanz unter neuer Leitung

2003 übernahm Frau Dr. Albertowski, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Leitung der Ambulanz. Zusätzlich wurde zur Betreuung der erwachsenen Autist*innen aus der Institutsambulanz des Marienkrankenhauses in Teilzeitbeschäftigung eine Fachärztin für Psychiatrie angestellt. So konnte die bisherige Arbeit kontinuierlich fortgeführt und die Begleitung der Menschen mit Autismus über die gesamte Lebensspanne hinweg weiter gewährleistet werden. Wichtiger Schwerpunkt der Arbeit war weiterhin die Information und Aufklärung von Eltern, Angehörigen und Bezugspersonen über das Störungsbild Autismus sowie entsprechende Fördermöglichkeiten. Verstärkt wurden auch Kurse in Schulen und Kindergärten sowie verschiedenen Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen angeboten. 2010 konnte für die finanzielle Unterstützung der Elternkurse ein Sponsor gefunden werden.

Aufgrund des stetig steigenden Diagnostikbedarfs wurde die Zusammenarbeit mit anderen Fachärztinnen und -ärzten intensiviert und ein sachsenweites Kooperationsnetzwerk angestrebt. Fachleute aus umliegenden Regionen und Bundesländern wurden zur Hospitation und zum Austausch eingeladen. Die Gründung autismusspezifischer Angebote durch andere Träger und betroffene Eltern wurde unterstützt. Seit 2009 wird die Autismusdiagnostik für Erwachsene angeboten. Dabei zeigten sich neue Bedarfe in der Beratung und Begleitung der Betroffenen, für die neue Kooperationen eingegangen wurden. 2010 bestand das Team der Autismusambulanz aus 16 festangestellten Mitarbeiter*innen und 2 Honorarkräften aus Medizin, Psychologie und Sozial- und Heilpädagogik sowie Heilerziehungspflege. Zur Durchführung der Eingliederungshilfen waren weitere 12 Mitarbeiter*innen stundenweise angestellt. 

Die Autismusambulanz in Trägerschaft des Universitätsklinikums

Am 1. April 2011 erfolgte der Wechsel der Autismusambulanz zum  Universitätsklinikum an die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Damit sollte eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Diagnostik, Therapie und Beratung ermöglicht werden.

In wenigen Monaten konnten neue Räume gefunden werden, so dass noch im Dezember 2011 der Umzug in die derzeitigen Räume erfolgen konnte. Weitere Informationen zu unserem Behandlungsangebot sowie dem Elterntraining und Fortbildungsprogramm finden Sie auf unseren Seiten.

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