Neurochirurgische Schmerztherapie
Wenn chronische Schmerzen durch konservative Maßnahmen wie Tabletteneinnahme, Physiotherapie oder Entspannungsübungen nicht ausreichend gebessert werden konnten, kann eine neurochirurgische Behandlung sinnvoll sein. Hierbei sind ein ausführliches Gespräch und eine Untersuchung des Patienten notwendig, um die geeignete Behandlung zu finden, aber auch um Patienten zu erkennen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, von einem Eingriff zu profitieren, zu gering ist. So beginnt die Arbeit des Neurochirurgen in der Schmerztherapie schon lange vor der Operation. Es gibt eine Reihe von Krankheitsbildern, die einer neurochirurgischen Behandlung zugänglich sind.
In unserer Ambulanz werden Indikationen zu invasiven schmerztherapeutischen Maßnahmen geprüft und Patienten langfristig nachbehandelt. Die Eingriffe erfolgen im Rahmen kurzer stationärer Aufenthalte oder im Falle von Infiltrationen ambulant. Wir arbeiten eng mit dem Universitätsschmerzzentrum zusammen.
Spezialsprechstunde Neurochirurgische Schmerztherapie
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Ihre Ansprechpartner
Prof. Dr. med. T. Juratli, FEBNS
Sektionsleiter Schmerztherapie/
Leiter Neuroonkologisches Zentrum (NOZ)
Trigeminusneuralgie
Bei der klassischen Trigeminusneuralgie wird der Nervus trigeminus, der unter anderem Berührungsreize aus dem Gesicht zum Gehirn leitet, durch ein Blutgefäß in der Nähe des Hirnstamms bedrängt, wodurch es zu den typischen sehr heftigen und nur kurz anhaltenden einschießenden Schmerzen im Gesicht kommen kann. Ein Kontakt zwischen dem Nerv und einem Blutgefäß ist bei vielen Menschen vorhanden ohne dass Beschwerden bestehen. Nur wenn die beschriebenen Schmerzen auftreten, handelt es sich um einen behandlungsbedürftigen Befund.
In vielen Fällen kann eine Trigeminusneuralgie mit Medikamenten behandelt werden. Meistens wird hierfür der Wirkstoff Carbamazepin gewählt. Andere Mittel sind unter anderem Oxcarbazepin, Gabapentin, Phenytoin, Lamotrigin oder Baclofen. Manchmal lässt die Wirkung mit der Zeit jedoch nach oder schwere Nebenwirkungen erschweren die Behandlung. In diesen Fällen sollte über eine Operation nachgedacht werden.
Bei der Operation handelt es sich um eine mikrovaskuläre Dekompression (auch als Jannetta-OP bekannt).
Hierbei wird eine kleine Schädeleröffnung hinter dem Ohr auf der betroffenen Seite durchgeführt und die Stelle des Gefäß-Nerven-Kontaktes unter mikroskopischer Sicht aufgesucht. Daraufhin wird ein Stück Teflon-Watte zwischen Gefäß und Nerv eingebracht, so dass kein direkter Kontakt mehr besteht. Es findet keine Beschädigung nervaler Strukturen statt. In aller Regel sind die Patienten nach dem Eingriff sofort schmerzfrei. Die Erfolgsrate liegt bei weit über 90%. Im Laufe der Zeit ist eine Wiederkehr der Schmerzen möglich, aber in großen Studien betrug die Erfolgsrate nach zehn Jahren noch ungefähr 70%. Alternativen zur mikrovaskulären Dekompression sind vor allem eine Bestrahlung mit einem Gamma knife oder perkutane Verfahren.
Diese Verfahren sind Eingriffe, bei denen eine Nadel ans Ganglion des Nervus trigeminus an der Schädelbasis eingebracht wird, woraufhin dieses entweder mit Druck durch einen Ballon oder mit Hitze absichtlich beschädigt wird. Hierbei handelt es sich um kleinere Eingriffe verglichen mit der Operation. Jedoch sind die Erfolgsraten niedriger und es besteht ein kleines Risiko für bleibende Taubheitsgefühle im Gesicht.
Bei einer Trigeminusneuralgie durch multiple Sklerose oder einer Trigeminusneuropathie – einer schmerzhaften Schädigung des Nervus trigeminus zum Beispiel nach einem Unfall, einer Operation oder einer Bestrahlung – ist eine mikrovaskuläre Dekompression nicht angebracht, da die Schmerzen andere Ursachen als einen Gefäß-Nerven-Kontakt haben.
Hier muss die Behandlung mit dem Patienten individuell vereinbart werden. Je nach Patient kann im Falle einer erfolglosen konservativen Therapie auf die oben genannten perkutanen Verfahren oder auf eine neuromodulatorische Behandlung zurückgegriffen werden.
Chronische Rückenschmerzen
Die meisten Menschen haben im Laufe ihres Lebens mindestens eine Episode mit Rückenschmerzen. In der Regel gehen die Beschwerden spontan wieder vorbei und erfordern keine spezielle Therapie. Nur selten steckt eine behandlungsbedürftige Erkrankung hinter den Beschwerden. Bestehen Rückenschmerzen, gegebenenfalls mit Ausstrahlung in die Beine, jedoch fort oder werden gar chronisch, möglicherweise auch trotz einer Operation an der Wirbelsäule (sogenanntes failed back surgery syndrome, FBSS oder Postnukleotomiesyndrom), ist eine schmerztherapeutische Behandlung notwendig.
- Häufig können dann die Beschwerden durch Medikamente, Krankengymnastik, psychologische Behandlung oder eine multimodale Schmerztherapie gebessert werden.
- Manchmal ist die Infiltration einer Nervenwurzel (periradikuläre Therapie, PRT) oder von Wirbelgelenken mit örtlichen Betäubungsmitteln und Cortisolpräparaten sinnvoll.
- Bleibt auch mit diesen Maßnahmen der Erfolg aus, sollte in bestimmten Fällen eine Rückenmarkstimulation in Erwägung gezogen werden.
Rückenmarkstimulation (spinal cord stimulation, SCS)
Die Rückenmarksstimulation (SCS) - eine neurochirurgische Schmerztherapie
Bei einer Rückenmarkstimulation wird nach einem kurzen Hautschnitt über der Lendenwirbelsäule mit einer Kanüle der Epiduralraum – ein mit Fett gefüllter Raum außerhalb der Rückenmarkhaut – punktiert. Danach wird über die Kanüle eine Elektrode eingebracht, die unter Röntgenkontrolle an eine bestimmte Position gebracht wird. Je nach Krankheitsbild werden manchmal auch zwei Elektroden platziert. Die Kabel werden zunächst nach außen geleitet und mit einem externen Stimulator verbunden. Über diesen wird ein leichter elektrischer Strom programmiert, durch den das Rückenmark stimuliert wird, so dass die Weiterleitung der schmerzhaften Impulse zum Gehirn gehemmt wird.
Nach der Programmierung wird der Patient nach Hause entlassen, um die Stimulation etwa eine bis zwei Wochen lang zu testen. In den meisten Fällen kann der Eingriff sowohl in örtlicher Betäubung als auch in Vollnarkose durchgeführt werden, je nach Vereinbarung mit dem Patienten.
Bei einer anschließenden ambulanten Vorstellung wird mit dem Patienten die Schmerzlinderung besprochen. Im Falle einer erfolgreichen Testung wird daraufhin die Implantation des endgültigen Stimulators unter die Bauch- oder Gesäßhaut durchgeführt, so dass das gesamte System implantiert ist.
Die Rückenmarkstimulation ist ein seit Jahrzehnten erprobtes und sicheres Verfahren, dessen Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen wurde. In den letzten Jahren hat es deutliche technische Fortschritte gegeben, wodurch kleinere Stimulatoren und neue Stimulationsparameter ermöglicht wurden, die eine höhere Effektivität bei besserem Patientenkomfort ermöglichen.
Eine effektive Schmerzreduktion ist vor allem bei chronischen Rücken-/Beinschmerzen, Polyneuropathien (zum Beispiel diabetische Polyneuropathie), aber auch bei Schmerzen aufgrund von Durchblutungsstörungen (pAVK), beim CRPS und bei Schmerzen durch Angina pectoris belegt.
Spinalganglienstimulation (dorsal root ganglion = DRG-Stimulation)
Spinalganglienstimulation (DRG-Stimulation) - eine neurochirurgische Schmerztherapie
Die Spinalganglienstimulation ist ein Verfahren, das in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung an Zentren gefunden hat.
Dabei wird zunächst, ähnlich wie zur Rückenmarkstimulation, der Epiduralraum außerhalb der Rückenmarkhaut punktiert. Anschließend wird eine spezielle, dünne Elektrode eingebracht und seitlich ins Austrittsloch der Nervenwurzel geführt, wo sie an der hinteren Seite des Spinalganglions zu liegen kommt. Während dieses Eingriffs ist eine Teststimulation notwendig, um die korrekte Lage der Elektrode zu bestätigen. Daher muss der Patient wach sein. Es kann jedoch eine leichte Sedierung vorgenommen werden, um die Operation angenehmer zu machen. Meistens ist es sinnvoll, Elektroden an zwei Nervenwurzeln zu legen, um eine bestmögliche Wirkung herbeizuführen.
Die DRG-Stimulation zeigt überzeugende Ergebnisse bei Schmerzen, die in einem umschriebenen Bereich lokalisiert sind, zum Beispiel bei chronischen Leistenschmerzen, chronischen Knieschmerzen trotz orthopädischer Behandlung oder einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) im Fuß.
Periphere Nervenstimulation (PNS)
Periphere Nervenstimulation (PNS) - eine Therapieoption bei chronischen Schmerzsyndromen
Die periphere Nervenstimulation ist eine Therapieoption bei chronischen Schmerzsyndromen, die eindeutig einem bestimmten Nerv zugeordnet werden können, zum Beispiel nach einem Trauma oder einer Operation mit Nervenverletzung.
Blieben konservative Therapieversuche oder operative Dekompressionen erfolglos, kann hierin eine sinnvolle Option liegen. In der Vergangenheit musste dabei eine Elektrode über eine offene Freilegung des Nervs eingebracht werden, worauf ein Verrutschen der Elektrode folgen konnte. Inzwischen kann der Eingriff minimalinvasiv unter Ultraschallkontrolle mit einer speziellen Elektrode durchgeführt werden, wodurch das Risiko eines Verrutschens des Implantats deutlich reduziert ist.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Transkranielle Magnetstimulation (TMS) - eine mögliche neurochirurgische Behandlungsmethode bei schwerwiegenden Schmerzsyndromen
Bei besonderen Krankheitsbildern kann eine transkranielle Magnetstimulation hilfreich sein.
Hierbei wird mit einer Spule ein Magnetfeld erzeugt und über bestimmten Arealen des Gehirns appliziert. Es handelt sich um eine nicht-invasive Maßnahme ohne wesentliche Risiken. Neben einem diagnostischen Wert vor Gehirnoperationen sowie einem therapeutischen Effekt zum Beispiel bei motorischen Störungen etwa nach Schlaganfall oder bei Depressionen kann die transkranielle Magnetstimulation auch in bestimmten Fällen bei schwerwiegenden Schmerzsyndromen eingesetzt werden. Hierfür sind mehrere Sitzungen erforderlich.
Eine Linderung der Schmerzen hierdurch weist auch auf die Effektivität einer Motokortexstimulation hin.
Motorkortexstimulation
Die Motorkortexstimulation - eine neurochirurgische Behandlungsmethode z.B. bei neuropathischem Gesichtsschmerz oder bei Schmerzen nach Schlaganfall.
Die Motorkortexstimulation ist ein Stimulationsverfahren, bei dem epidural, also zwischen Schädelknochen und Hirnhaut, eine Elektrode über der motorischen Region des Gehirns eingebracht wird, über die der Kortex stimuliert werden kann.
Dies kann zum Beispiel bei neuropathischen Gesichtsschmerzen oder bei Schmerzen nach Schlaganfall erwogen werden.
Das Verfahren ist Einzelfällen vorbehalten und das Ansprechen kann variabel ausfallen. Patienten, die von einer transkraniellen Stimulation profitiert haben, haben eine höhere Chance, auch auf eine Motorkortexstimulation anzusprechen.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Tiefe Hirnstimulation (THS) - eine neurochirurgische Behandlungsmethode bei schwerwiegenden Schmerzsyndromen
Bei besonders schwerwiegenden Schmerzsyndromen, die auf andere (auch invasive) Therapien nicht angesprochen haben, kann eine tiefe Hirnstimulation in seltenen Fällen erwogen werden.
Hierbei kommen verschiedene Zielpunkte in Frage, die individuell ausgesucht werden müssen. Zu den Indikationen gehören Armschmerzen nach Verletzung des Plexus brachialis oder Schmerzsyndrome nach Schlaganfall.
Intrathekale Medikamentenpumpen
Medikamentenpumpen in der Behandlung schwerster chronischer Schmerzen
Bei ausgeprägter Spastik durch eine zerebrale oder spinale Erkrankung oder Verletzung kann es sein, dass eine Behandlung mit Baclofen in Tablettenform nicht ausreicht. Dann ist die Implantation einer Medikamentenpumpe eine Möglichkeit, den Wirkstoff direkt ins Nervenwasser (Liquor) abzugeben.
Dabei sind sehr viel geringere Dosierungen notwendig, so dass die Wirkung stärker ausfällt und gleichzeitig Nebenwirkungen reduziert werden. Bevor die endgültige Pumpe unter die Bauchhaut implantiert und an einen dünnen Schlauch angeschlossen wird, der in den Liquorraum führt, wird eine Testung durchgeführt, um einen positiven Effekt zu bestätigen.
Perkutane Ballonkompression des Ganglion Gasseri
Die perkutane Ballonkompression des Ganglion Gasseri ist eine minimalinvasive Therapieoption bei Trigeminusneuralgie, die durch eine multiple Sklerose verursacht wird oder bei klassischer Trigeminusneuralgie mit Gefäß-Nerven-Kontakt, wenn eine Jannetta-OP nicht möglich oder nicht gewünscht ist.
Hierbei wird eine Nadel unter Röntgenkontrolle durch die Wangenhaut an die Schädelbasis eingebracht. An der Schädelbasis wird eine Öffnung aufgesucht, das Foramen ovale, in welche die Nadel platziert wird. Nun wird ein Ballonkatheter durch die Nadel so eingebracht, dass er am Ganglion Gasseri zu liegen kommt.
Der Ballon wird für kurze Zeit aufgeblasen und komprimiert das Ganglion, anschließend werden der Katheter und die Nadel entfernt.
In den meisten Fällen tritt sofortige Schmerzfreiheit ein. Häufig verbleibt ein leichtes Taubheitsgefühl in der betroffenen Gesichtshälfte, das aber üblicherweise nicht störend ist.