Geschichte
Die Pathologie in Dresden fand ihren heutigen Platz als akademisches Lehrfach nach einer mehr als zweihundert Jahre währenden Entwicklung, hinweg über Entstehen, Verschwinden und Wiederaufbau verschiedenster medizinischer Ausbildungsstätten.
Anfänge: die Prosektoren von Friedrichstadt
Im Jahre 1748 wurde mit der Gründung des Collegium Medico –Chirurgicum der Beginn zur Entwicklung des Instituts für Pathologie gelegt, welches sich ursprünglich der „Herstellung tüchtiger Feldscheere und Chirurges“ im Dienste des Militärs widmete. Nach seiner Schließung im Jahr 1813 ging aus diesem Collegium die Chirurgisch-Medizinische Akademie hervor, die von 1815 bis 1864 im Kurländer Palais am Tzschirnerplatz nahe der Carolabrücke beheimatet war.
Auf dem Lehrplan der Chirurgisch-Medizinischen Akademie fand sich unter anderem das Gebiet der Theoretischen Heilkunde, innerhalb dessen sich das Fach Pathologie durch Vorlesungen wie „Anatomische Pathologie“, „Systematische Anatomische Pathologie“ sowie erste reguläre Sektionskurse langsam in seine heutige Gestalt wandelte und an Bedeutung und Selbstständigkeit gewann.
Gehalten wurden diese oft von den Prosektoren der Krankenhausprosektur am Stadtkrankenhaus Friedrichstadt, die sich in einem halbverfallenen Nebengebäude dieser Einrichtung niederließen. Die 1850 gegründete „Pathologisch-Anatomische Abtheilung“ gilt in dieser Art als die erste im gesamten deutschsprachigen Raum. Heute ist sie als „Institut für Pathologie Georg Schmorl“ nach einem namhaften Fachvertreter benannt, der sie zusammen mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten leitete.
Albert Zenker, erster Prosektor des Friedrichstädter Krankenhauses, übernahm später folgerichtig den ersten Lehrstuhl für Pathologische Anatomie in Dresden. Unter seiner Leitung wurden Sezierübungen und Mikroskopierkurse eingeführt, die wesentlich zur Weiterentwicklung der pathologischen Gewebelehre beitrugen.
Zäsuren und Neuanfänge
1901 wurde die zweite Dresdner Krankenanstalt, das Stadtkrankenhaus Johannstadt, auch Johannstädter Kliniken genannt, gegründet. Anfänglich als Nebenstelle zu Friedrichstadt unter der Leitung von Georg Schmorl geführt, übernahm sein Schüler Paul Geipel später die Prosektur. Im Zuge der Wirtschaftskrise musste das Johannstädter Krankenhaus 1932 schließen. Paul Geipel kehrte kurzzeitig nach Friedrichstadt zurück, bevor er in den Ruhestand ging.
Die Johannstädter Kliniken, später "Rudolf-Hess-Krankenhaus" benannt, wurden 1934 neu eröffnet. Während der Zeit des Nationalsozialismus bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges führten Professoren wie Hermann Boehm und Heinrich Kalbfleisch die Prosektur. 1939 übernahm der inzwischen über siebzigjährige Paul Geipel erneut die Leitung, die er bis 1946 innehatte.
In der Nachkriegszeit folgte Horst-Günther Güttner auf Paul Geipel, der 1954 der erste Ordinarius für das Fach Pathologie an der Medizinischen Akademie "Carl Gustav Carus" wurde, welche im Johannstädter Krankenhaus im selben Jahr gegründet worden war. Güttner prägte die Transformation der Krankenhausprosektur in ein Hochschulinstitut und setzte als Rektor gegen alle Widerstände den Bau des Gebäudes an der Schubertstraße durch, welches 1963 bezogen wurde und auch heute noch große Teile des Instituts für Pathologie beherbergt.
Unter seinem Nachfolger Heinz Simon erhielt das Institut eine moderne Ausstattung mit Elektronenmikroskopie, Histochemie, experimenteller Pathologie und einem eigenen Tierstall. Im Fokus standen nun vor allem Leber- und Tumorpathologie sowie Tumorimmunologie. Abteilungen wie Bakteriologie und Gerichtsmedizin wurden ausgegründet, um die fachliche Konzentration und Einheit zu verstärken. Die umfangreiche Lehre wurde gestrafft und praxisorientiert, demonstrativ und seminaristisch ausgerichtet. Den Assistenten sollte auf ihrem Weg zum Facharzt „möglichst das gesamte Spektrum der Histologie unter das Mikroskop gelangen“.
1977 folgte Heinz Simon einem Ruf an die Charité Berlin und Martin Müller wurde sein Nachfolger. Müller führte das Institut unter zunehmend schwierigen Bedingungen in der DDR der achtziger Jahre bis zur Auflösung der Medizinischen Akademie im Jahr 1994. Nach der Neugründung als Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der TU Dresden im selben Jahr wurde er auf den neuen Lehrstuhl berufen, den er bis 2000 innehatte.
Seit 2000 leitet Gustavo Baretton das Institut für Pathologie, unter seiner Führung wurde 2023 ein neuer Meilenstein – die Akkreditierung – erreicht.
Rundblick
Von den bescheidenen Anfängen in dem halbverfallenen Nebengelass in Friedrichstadt mit einem einfachen Glasschrank und ein paar Sägen über den hoch angesehenen Geheimrat Georg Schmorl, der frühmorgens eigens von der Straßenbahn von seinem Haus an seiner geliebten Bautzener Straße abgeholt wurde; weiter mit geschichtlich belasteten Persönlichkeiten wie dem Honorarprofessor für Rassenkunde Hermann Boehm zu den Modernisierern Horst-Günther Güttner, Heinz Simon bis in die Wende- und Nachwendeperiode mit Martin Müller:
Die Pathologie in Dresden vermochte zu allen Zeiten Einzigartiges zu entdecken und Großes zur medizinischen Wissenschaft, Lehre und Technik beizutragen.
Albert Zenker entdeckte 1860 die Trichinose und rettet damit bis heute Leben, da nach seiner Veröffentlichung ab 1862 in Deutschland die Fleischbeschau zur Regel wurde.
Georg Schmorl vollbrachte mit seinem Beitrag zur Pathologie des Skelettsystems und der Anwendung der Fotografie eine unschätzbare Leistung. Nicht nur gilt seine Beschreibung des Schneeberger Lungenkrebses (gemeinsam mit dem Johannstädter Internisten Otto Rostoski und dem Radiologen Erich Saupe) heute noch als Vorbild epidemiologischer Arbeit und Ätiopathogeneseforschung, sondern sie legte auch den Grundstein für aktuelle Forschungen zur Pathogenese radiogener und anderer fibrosierender Lungenprozesse.
Heinz Simons Arbeiten zu theoretischen Grundlagen der Anwendung automatischer Bildverarbeitung in Medizin und Biologie im Jahr 1975 ebneten den Weg für modernste, heute unverzichtbare und breit angewandten Bildanalysetools.
Begriffe wie Zenkersches Divertikel, Fiedlersche Myokarditis, Ziehl-Neelsen-Färbung, Geipel und Aschoffs Granulom der rheumatischen Myokarditis oder Schmorlsches Knorpelknötchen erinnern an namhafte Vertreter des Fachs, die in Dresden wirkten und weit über Deutschland hinaus Einfluss übten.
Quellen:
Müller M
Pathologie in Dresden
In: Autoimmune Erkrankungen / hrsg. von G. Klöppel. – Jena: Fischer, 1996. –
(Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Pathologie ; 80). – XL-IL
Müller M
Hervorgegangen aus der Anatomie: Pathologie in Dresden – vorgestellt zur 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie im Mai
In: Universitätsjournal - die Zeitung der Technischen Universität Dresden. – Dresden: Rektor der TU. - 7(12): 7
Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2004 / hrsg. von Caris-Petra Heidel und Marina Lienert. – München: KG Saur, 2005