Abnutzungsbedingte Wirbelsäulenerkrankungen (Degenerativ)
Bandscheibenvorfälle
Altersbedingte Veränderung in der LWK5/SWK1 Bandscheibe (Gallertkern ist dunkel im Vergleich zu den anderen Bandscheiben). Der Pfeil zeigt den Vorfall, welche die Nervenfasern bedrängt.
Bandscheibenvorfall rechts (siehe Pfeil).
Die knorpelige Verbindung zwischen den einzelnen Wirbelkörpern der Wirbelsäule wird als Bandscheibe bezeichnet und besteht aus einem sehr festen, faserhaltigen Ring (Annulus fibrosus) und der mittigen weicheren Knorpelmasse, dem sogenannten Gallertkern (Nucleus pulposus). Die Bandscheibe verteilt bei Bewegung die Last zwischen den Wirbeln und dient der Wirbelsäule somit als Stoßdämpfer. Sie verhindert, dass die Wirbel aufeinander reiben und trägt zur Flexibilität der Wirbelsäule bei.
Während des Alterungsprozesses eines Menschen nimmt der Wasserhaushalt des Körpers ab. Dadurch wird man im Alter kleiner und die Flexibilität und Elastizität der Wirbelsäule nimmt ab. Der Wasserhaushalt der Bandscheiben schwankt ebenso im Tagesverlauf. Jeder Mensch ist morgens etwa 2 cm größer als abends.
Unter Belastung und Bewegung kann der Faserring auflockern, was zu einer Vorwölbung (Protrusio) des inneren Gallertkernes führen kann oder es kommt zum Austritt eines Anteils des Gallertkernes durch den Faserring nach außen (Bandscheibenvorfall, Prolaps).
Meist drückt dieser nach hinten in den Rückenmarkskanal (Spinalkanal) oder hinten-seitlich (Nervenwurzel). Hierbei kann es zu Schmerzen, Lähmungen und / oder Gefühlsstörungen kommen. Der plötzliche Kreuzschmerz wird im Volksmund auch als Hexenschuss bezeichnet. Im Bereich der Lendenwirbelsäule treten Bandscheibenvorfälle etwa 100-mal häufiger auf als im Halswirbelbereich. Im Brustwirbelbereich sind sie hingegen nur sehr selten zu finden.
Ein Bandscheibenvorfall wird zunächst konservativ, behandelt. Bei folgenden vier Kriterien kann allerdings ein chirurgischer Eingriff notwendig werden:
1- | Druck gegen das Rückenmark (Myelopathie) |
2- | schwere Lähmung oder zunehmende Lähmung |
3- | Druck gegen den "Pferdeschweif" (Cauda equina, unterster Anteil des Rückenmarkes) |
4- | Bei fehlender Kontrolle der Blasenfunktion, zunehmender Lähmung oder Spasmen. |
Spinalkanalstenose
Zeichen einer zentralen Einengung des Spinalkanals, welche durch Facettengelenkknochen, Bandscheibe und das gelbe Faserband bedingt ist.
Liquorpassagestopp durch Einengung des Spinalkanals.
Als Spinalkanalstenose wird die Verengung des Wirbelsäulenkanals durch die drei osteodiskoligamentären Kompartimente bezeichnet:
- Osteom --> Facettengelenkknochen
- Discus -->Bandscheibe und
- Ligament --> das gelbe Faserband.
Die belastungsabhängigen Rückenschmerzen mit oder ohne Ausstrahlung in die Beine und die Verkürzung der schmerzfreien Gehstrecken werden als Leitsymptome von den Patienten angegeben. Die betroffenen Patienten müssen sich nach kurzer Laufzeit entweder setzen oder nach vorne beugen, um die Beschwerden zu bessern.
Bei ausgeprägten Schmerzen und signifikanter Gehstreckenverkürzung oder neurologischen Defiziten muss eine bildgebende Abklärung erfolgen und die operative Therapie empfohlen werden.
Bei der mikrochirurgischen Dekompression wird die Einengung der Nervenstrukturen im Spinalkanal durch Reduktion oder Entfernung der Knochenanbauten (Spondylarthrose) und des verdickten gelben Faserbandes beseitigt.
Wirbelgleiten mit/ohne Instabilitätszeichen (Spondylolisthesis)
Wirbelgleiten.
Wirbelgleiten zwischen dem vierten und fünften Wirbelkörper.
Zusätzlich ist eine Vergrößerung des gelben Faserbandes zu sehen (Pfeil), welche zu einer Einengung des Spinalkanals beiträgt.
Wirbelgleiten (Spondylolisthese) wird diagnostiziert, wenn ein Wirbelkörper gegenüber einem anderen nach vorne oder hinten gleitet. Meist ist davon der fünfte Lendenwirbel betroffen. Die Verschiebung führt zu einem Zug an den in dieser Etage verlaufenden Nervenwurzeln und verursacht somit die Beschwerden.
Das Ausmaß des Wirbelgleitens wird entsprechend der Meyerding-Klassifikation beschrieben:
- Grad 1 | Gleitvorgang bis zu 25% |
- Grad 2 | Gleitvorgang bis zu 50% |
- Grad 3 | Gleitvorgang bis zu 75% |
- Grad 4 | Gleitvorgang von mehr als 75% |
Es werden folgende Ursachen für die Gleitvorgänge unterschieden:
Angeboren bzw. im Kindesalter erworben |
- Dysplastische Spondylolisthesis (Fehlbildung im lumbosakralen Übergang) - Isthmische Spondylolisthesis (Defekt in der Interartikularportion) |
Im Erwachsenenalter erworben |
- Degenerative Spondylolisthesis (Abnutzungsvorgänge) - Traumatische Spondylolisthesis (Bruch des Wirbels) - Pathologische Spondylolisthesis (verminderte Knochensubstanz) - Postoperativ (nach einer Wirbelsäulenoperation) |
Die Therapie ist zunächst immer konservativ. Bei therapieresistenten Schmerzzuständen kann eine Operation jedoch sinnvoll sein und führt dann in der Regel zu einer deutlichen Beschwerdereduktion.
Bei fortgeschrittener, verschleißbedingter Instabilität der Wirbelsegmente muss daher neben der knöchernen Dekompression eine operative Versteifung der betroffenen Segmente erfolgen. Dies geschieht durch ein Schrauben-Platten-(Stab)-System und durch das Einbringen eines Kunststoffplatzhalters (Cage aus PEEK oder Titan) in den Zwischenwirbelraum.
Facettengelenkarthrose (Spondylarthrose)
Die Erweiterung des Gelenkspaltes mit Ergussbildung und Knochenanbauten an den Gelenkrändern sind typische Merkmale für eine Spondylarthrose.
Alle Wirbel sind hinten am Wirbelbogen durch die paarig angelegten Facettengelenke miteinander und vorn durch die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern verbunden.
Je mehr die Bandscheibe ihre Pufferfunktion im Verlauf verliert, desto stärker werden die Facettengelenke belastet und somit verbraucht.
Zusätzlich kann
- eine Überlastung in Sport und Beruf,
- Rheuma,
- Übergewicht oder
- Muskelschwäche zu diesem Verschleißprozess beitragen.
Die schmerzhaften Abnutzungserscheinungen, die meist im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule auftreten, werden als Facettengelenkarthrose (Facettengelenksyndrom oder Spondylarthrose) bezeichnet.
Diese Schmerzen verstärken sich bei großer körperlicher Belastung, wie Beugung ins Hohlkreuz, Seitneigung oder längeres Stehen oder Gehen, treten jedoch auch als Ruheschmerz auf. Im Verlauf kommt es zu Knochenanbauten an den Gelenken, welche den Rückenmarkkanal (Spinalkanal) oder die Nervenaustrittsöffnungen (Neuroforamen) einengen können.
Als Therapie der Wahl sollte zunächst ein Haltungstraining mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln durchgeführt werden. Im zweiten Schritt kann eine Infiltrationstherapie oder Facettendenervierung (Verödung durch Kälte bzw. Strom) durchgeführt werden. In Fällen, bei denen diese Maßnahmen nicht helfen, kann die Spondylarthrose durch eine Instrumentierung ausgeschaltet werden.
Foramenstenose
Lateraler Bandscheibenvorfall, welcher die Nervenwurzel vor dem Eintritt ins Neuroforamen bedrängt.
Bandscheibenvorfall (siehe oberes Bild), mit Pfeil markiert.
Bei der Foramenstenose handelt es sich um eine Einengung des Nervenaustrittsloches (Neuroforamen).
Diese Einengung wird entweder durch einen Bandscheibenvorfall (weich) oder durch eine Spondylarthrose bedingte, knöcherne Einengung versursacht.
Die Therapie ist von der Art der Stenose abhängig. Zum Beispiel wird bei einem weichen, lateralen Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule die Operation nach Frykholm durchgeführt.
Rezessusstenose (laterale Stenose)
Zentrale Einengung des Spinalkanals auf Höhe LWK2/3 und LWK3/4. Auf Höhe LWK4/5 ist keine Einengung zu sehen, da Kaudafasern gut im Spinalkanal entfaltet und vom Liquor umgeben sind.
Deutliche laterale Einengung.
Hier ist eine laterale rezessale Stenose zu sehen, welche durch Spondylarthrose und Hypertrophie des Ligamentum Flavum bedingt ist.
Als Rezessusstenose oder laterale Stenose bezeichnet man eine Bedrängung der Nervenwurzel im Rezessus lateralis.
Eine laterale Stenose wird am ehesten durch degenerative Veränderungen des oberen Wirbelgelenkfortsatzes (Prozessus articularis superior) verursacht.
Ostochondrose
Zwischen LWK3/4 ist eine Osteochondrose (in T2 Aufhellung der Grund und -Deckplatte) zu sehen.
Die segmentale Instabilität (Spondylolisthesis) zwischen LWK2/3 ist durch eine Bandscheibenfachminderung, konsekutive Osteochondrose und Instabilität der arthrotischen Facettengelenke entstanden.
Eine Osteochondrose entsteht durch eine Abnutzung der Bandscheiben und der angrenzenden Facettengelenke.
Als Reparaturmechanismus versucht das Skelettsystem den Wirbelsäulenabschnitt mit Hilfe von Knochensubstanz, die zwischen den beiden Wirbelkörpern einwächst, zu stabilisieren. Dieser Prozess ist schleichend und wird in der Regel als Zufallsbefund festgestellt.
Die Differenzierung zwischen Schmerzen, die von den Veränderungen durch die Osteochondrose ausgehen oder eher aus der Muskulatur kommen, ist schwierig und bedarf einer großen Erfahrung. Eine Kombination aus beidem ist häufig zu sehen.
Besteht eine segmentale Instabilität, die durch ein intensives Training (Physiotherapie, Rückentraining) nicht ausreichend behoben werden kann, kann diese durch eine Instrumentierungsoperation (Spondylodese) stabilisiert werden.
ISG-Syndrom
Das Iliosakralgelenk (Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) besteht aus einer Verbindung zwischen dem Kreuzbein und dem Darmbein.
Beim ISG-Syndrom handelt es sich um eine Entzündung des Gelenks, einem Gelenkverschleiß oder einer Störung der Gelenkfunktion bzw. -stellung.
Schmerzen, die im unteren Bereich der Wirbelsäule durch langes Sitzen oder Stehen entstehen, sind häufig dem Iliosakralgelenk zuzuordnen. Solche Schmerzen können auch pseudoradikulär in die Beine ausstrahlen.
In der Regel werden die Beschwerden konservativ (ohne Operation) behandelt. Mit speziellen Übungen können Betroffene einem erneuten Auftreten der Erkrankung vorbeugen.
- Alternativ kann eine Infiltrationstherapie oder Gelenkdenervierung (Verödung durch Kälte bzw. Strom) durchgeführt werden.
- In Fällen, bei denen diese Maßnahmen nicht helfen, kann die Verschraubung des ISG-Gelenks als letztere Option dienen.