12. Januar 2012: Professor Berner - Know-how statt Antibiotika-Inflation
Stabwechsel an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin: Pädiater und Infektiologe aus Freiburg löst emeritierten Klinikdirektor Professor Manfred Gahr ab
Mit Beginn dieses Jahres hat Prof. Reinhard Berner die Leitung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden übernommen. Klinische und wissenschaftliche Schwerpunkte des neuen Klinikdirektors bilden die allgemeine Kinder- und Jugendmedizin und hier insbesondere Infektionskrankheiten sowie rheumatologische Krankheitsbilder. Prof. Berner löst Prof. Manfred Gahr ab, der die Klinik seit 1994 maßgeblich prägte und zu einer der größten Universitäts-Kinderkliniken Deutschlands entwickelte. Meilensteine waren der Aufbau von insgesamt 21 Spezialambulanzen für Kinder und Jugendliche, die unter schwerwiegenden chronischen oder seltenen Erkrankungen leiden. Damit erfüllt das Universitätsklinikum seine Aufgabe als Krankenhaus der Maximalversorgung auch in der Kinder- und Jugendmedizin. Der jüngste wissenschaftliche Erfolg der Klinik – der Aufbau einer durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten klinischen Forschergruppe – deckt sich mit dem wissenschaftlichen Schwerpunkt Prof. Berners: Der neue Klinikdirektor ist auf bakterielle und virale Infektionen sowie die körperlichen Abwehrmechanismen spezialisiert. Dies deckt sich mit einem zentralen Thema der 2010 gestarteten Forschergruppe. Zudem wird der aus dem Freiburger Uniklinikum nach Dresden gewechselte Arzt und Forscher sein infektiologisches Know-how einbringen, um den Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von Infektionen zu optimieren. Ziel ist es, die Zunahme von Antibiotika-resistenten Keimen zu bremsen.
„Wir freuen uns, mit Professor Reinhard Berner einen der renommiertesten wie erfahrensten Ärzte und Wissenschaftler Deutschlands für das Universitätsklinikum gewonnen zu haben. Er wird nicht nur die klinischen Aufgaben in bewährter Form weiterführen, sondern trägt mit seinem Know-how künftig auch dazu bei, klinische Maßnahmen gegen die bedrohliche Zunahme von antibiotikaresistenten Bakterien auszubauen und innovative Strategien gegen diesen Trend zu entwickeln“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums. „Ich finde hier eine hochmoderne Kinderklinik in einem bestens ausgestatteten Neubau vor. Dies erlaubt es mir, gemeinsam mit meinen Mitarbeitern eine hochspezialisierte Medizin für Kinder und Jugendliche weiter zu entwickeln, die sich stets am neuesten Wissensstand ausrichtet, gleichzeitig aber den Bedürfnissen der kranken Kinder und ihrer Familien Rechnung trägt“, sagt Prof. Berner. Eine individuelle, patientenorientierte Behandlung ist dem neuen Klinikdirektor ebenso wichtig wie die enge und gute Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten.
Bei Infektionen ist wissenschaftliche Pionierarbeit gefragt
Infektionskrankheiten bilden den ärztlichen wie wissenschaftlichen Schwerpunkt des neu an die Medizinische Fakultät berufenen Professors für Kinder- und Jugendmedizin. „Diese Erkrankungen haben in allen Bereichen der Pädiatrie eine große Bedeutung – auf der Intensivstation wie bei der Behandlung von Krebs. Aber eben auch in der täglichen kinderärztlichen Praxis“, so Prof. Berner. Viele Infektionskrankheiten haben durch die Entdeckung des Penicillins und anderer Antibiotika ihren Schrecken verloren. So geht heute von Scharlach keine Lebensgefahr mehr aus, wenn er richtig behandelt wird. „Wir wissen aber nicht, warum Streptokokken diese Erkrankung nur bei Kindern und Jugendlichen auslösen, nicht aber bei älteren Erwachsenen“, nennt Prof. Berner einen Ansatz künftiger Forschungen. Warum diese und andere Bakterien das Immunsystem des Menschen sogar wiederholt übertölpeln können, sei eine Frage, deren Antworten die Tür für neue Behandlungsstrategien – etwa eine Impfung gegen Scharlach – öffnen könnten. Wenn sich auf diese Weise Krankheiten wie schwere Rachenentzündungen oder Atemwegsinfektionen einmal zurückdrängen ließen, ginge der Verbrauch an Antibiotika zurück und damit die Gefahr, dass weitere Bakterienstämme resistent gegen dieses Medikament werden.
Noch drängender, wenn auch seltener, sind bestimmte Infektionen durch B-Streptokokken, die insbesondere Neugeborene in den ersten Tagen nach der Geburt in akute Lebensgefahr bringen. Diese Bakterien sind für größere Kinder und Erwachsene dagegen völlig ungefährlich. Werden sie jedoch während der Geburt von der Mutter auf ihr Baby übertragen, kann der Säugling eine den ganzen Körper ergreifende Blutvergiftung – Sepsis genannt – oder unumkehrbare Hirnschädigungen erleiden. „Warum Menschen in den ersten Lebenstagen und später wieder im hohen Alter so empfindlich auf bestimmte Bakterien und Viren reagieren, ist weitestgehend ungeklärt“, so der neue Klinikdirektor. Mit innovativen Forschungsansätzen und der Teilnahme an internationalen Studien will der Wissenschaftler hier der Behandlung vor allem schwerkranker Säuglinge neue Impulse verleihen. Mit der Neonatologischen Intensivstation an der Uni-Kinderklinik – einer der größten Deutschlands – findet Prof. Berner in Dresden eine ideale Basis vor, Forschungsergebnisse den Patienten zeitnah zugutekommen zu lassen
Von dem über mehr als 20 Jahre angewachsenen Erfahrungsschatz des Infektiologen profitieren die Patienten der Klinik unmittelbar: Prof. Berner übernimmt ab sofort eine beratende Aufgabe im Rahmen von Antibiotikatherapien: Hierzu wird ein sogenanntes Antibiotic Stewardship etabliert, durch das Ärzte in ihrem alltäglichen Kampf gegen schwerste Infektionen unterstützt werden. Ziel ist es, dieses Modell später auf das gesamte Klinikum zu übertragen und damit Antibiotika noch gezielter und damit nach Möglichkeit in geringerem Umfang einzusetzen.
Vom problembeladenen Baudenkmal zur hochmodernen Kinderklinik
Seinen Arbeitsbeginn 1994 in Dresden beschreibt Prof. Manfred Gahr heute so: „Das Gebäude war kaum mehr als eine Ruine – die Balkone waren gesperrt und vor dem Eingang stand ein Schutzdach, damit niemandem der herabfallende Putz auf den Kopf fiel. Aber das Klinikteam leistete gute Arbeit, darauf konnte ich bauen.“ Unter Prof. Gahrs Leitung entwickelte sich die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in den letzten 17 Jahren zu einer der größten Uni-Kinderkliniken Deutschlands. Einen Meilenstein in dieser Entwicklung bildete der 2003 fertiggestellte Neubau des Kinder-Frauenzentrums. Dieses Zentrum, das neben der Uni-Kinderklinik die Kliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie für Kinderchirurgie in einem Haus vereint, setzt deutschlandweit Maßstäbe. Prof. Gahr begleitete das Projekt während der Planungs- sowie Bauphase und daran anschließend als Zentrumsdirektor.
Auch das Anfang der 90er Jahre vorhandene Defizit an Forschungen gehört der Vergangenheit an: Bei den eingeworbenen Drittmitteln und der Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen gehört die Klinik zu den leistungsstärksten Einrichtungen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus. Dies unterstreicht die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschergruppe 249 „Defekte des angeborenen Immunsystems bei autoinflammatorischen und autoimmunologischen Erkrankungen“, deren Initiator und Sprecher Prof. Gahr ist. Diese Aufgabe wird er als Seniorprofessor auch in den kommenden Jahren wahrnehmen.
„Ich übernehme eine außerordentlich gut geführte und entwickelte Klinik, in der alle wichtigen medizinischen Schwerpunkte vertreten sind“, sagt Prof. Berner: „Sie ist in der Krankenversorgung wie in der Forschung hervorragend in die Strukturen des Klinikums, der Universität und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingebunden. – Dies ist eine sehr gute Basis um die neu formulierten Ziele zu verwirklichen.“ „Es ist sehr angenehm zu wissen, dass die grundlegende Ausrichtung der Klinik und der Führungsstil im bisherigen Sinne weitergeführt werden“, unterstreicht der scheidende Klinikdirektor Prof. Manfred Gahr.
Kontakt
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Direktor: Prof. Reinhard Berner
Tel. 0351 458-2440
E-Mail: reinhard.berner@uniklinikum-dresden.de
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