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Molekularbiologie

Die Heterogenität der Plattenepithelkarzinome im Kopf- und Halsbereich (head and neck squamous cell carcinoma: HNSCC), welche einhergeht mit einer schwierig einzuschätzenden Prognose, resultiert in einer 5-Jahres-Überlebensrate von durchschnittlich 50 Prozent. Trotz großer Fortschritte in Diagnostik und chirurgischer Therapie, Strahlen-, und Chemotherapie konnte diese, im Vergleich zu anderen malignen Tumoren, relativ geringe Überlebensrate in den vergangenen 25 Jahren nicht wesentlich verbessert werden. Problematisch ist außerdem das häufig bereits fortgeschrittene Tumorstadium, mit dem sich die Patienten vor Therapiebeginn vorstellen. Ein großer Anteil des Patientengutes unserer Einrichtung wird wegen des Mundschleimhautkarzinoms behandelt und im Tumordispensaire nachuntersucht. Mit dem Einverständnis unserer Patienten kann bei einer Operation Gewebe oder Blut entnommen werden.  Aus diesem Material ist es möglich, DNA für molekularbiologische Studien zu  isolieren. Unsere Arbeitsgruppe befasst sich, unter Anwendung histologischer und molekularbiologischer Analysetechniken, mit dem Nachweis von Genveränderungen (wie z. B. dem Verlust von Genabschnitten oder Mutationen) bei verschiedenen Tumorsuppressorgenen, wie p53, p16, p21, und PTEN, ZAC/Lot 1 und der Untersuchung von Mismatch Repairgenen, welche für die DNA-Reparaturprozesse von Bedeutung sind. Diese Untersuchungen der DNA aus Tumoren des Kopf- und Hals- Bereiches und insbesondere die Sequenzierung von Genen zur Identifikation von Mutationen bzw. Polymorphismen sind sehr bedeutsam für die Entwicklung neuartiger Therapiemethoden. So können Tumoren identifiziert werden, die durch ihre genetische Typisierung zum Beispiel besonders geeignet sind für eine postoperative Strahlen-, oder Chemotherapie. Außerdem können molekularbiologische Tumormarker entwickelt werden, die ein Rezidiv des Tumors nachweisen können. Somit ist eine individuelle Therapiestrategie und bessere Prognosestellung für Patienten möglich. Durch unsere Forschungsarbeit konnte gezeigt werden, dass bereits in Vorstufen des Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle, den Leukoplakien, Funktionsverluste des Tumorsuppressorgens p53 und bei Rauchern eine statistisch signifikante erhöhte LOH-Rate von p16 nachweisbar sind. Außerdem ergab sich, dass bei etwa 10 % der von uns untersuchten HNSCC, Veränderungen im DNA-Reparatursystem vorhanden sind. In einem in vitro und in vivo Modell von HNSCC konnten wir einen Expressionsverlust des Kandidaten-Tumorsuppressorgens ZAC/Lot1 in vitro nachweisen, sowie in vivo eine LOH-Rate (LOH: loss of heterozygotie) von 31 %. Durch den biometrischen Vergleich der experimentellen Ergebnisse mit den klinisch und histopathologisch erhobenen Daten kann zusätzlich ermittelt werden, ob zu den seit langem bekannten exogenen Noxen (Trias: Rauchen, Alkohol, schlechte Mundhygiene) auch endogene genetische Faktoren ursächlich für die Tumorgenese im Kopf-, Halsbereich eine Rolle spielen. Die Forschung hat dafür Nachweise erbracht, dass humanpathogene Viren, die unter anderem für die Entstehung des Zervixkarzinoms eine Rolle spielen (HPV 16 und 18), ebenso bei HNSCC ätiologisch und prognostisch relevant sind. Mit dem DÖSAK (Deutsch Österreichischer Arbeitskreis für Tumoren im Kopf-, Halsbereich) existiert ein langjähriges Kompetenznetz, in das Forschungsergebnisse der einzelnen Zentren eingespeist werden können. Mittels dieser Vernetzung ist es möglich, durch die Analyse großer Fallzahlen, Therapiestrategien weiter zu entwickeln.     Der derzeitige Stand der Forschungsergebnisse zum HNSCC erlaubt noch keine standardisierte Anwendung in der täglichen Praxis der Patientenversorgung, Tumortherapie und Nachsorge. Jedoch besteht die Aussicht, diese Erkenntnisse in der Zukunft vom Labor in die Praxis zu übertragen.  Viele Beispiele sind dafür bekannt. So ist es zum Beispiel möglich, Patienten mit familiären Darmkrebs oder Brustkrebs zu identifizieren. Ziel der molekularbiologischen Tumorforschung ist es, auf diese Erkenntnisse gestützt, eine individuelle Tumortherapie durchführen zu können. Literatur:

1. Mavros A, Hahn M, Wieland I, Koy S, Koufaki ON, Strelocke K, Koch R, Haroske G, Schackert HK, Eckelt, U. Infrequent genetic alterations of the tumor suppressor gene PTEN/MMAC1 in squamous cell carcinoma of the oral cavity. J Oral Pathol Med. 2002; 31 (5):270-6.

2. Hahn M, Hagedorn G, Kuhlisch E, Schackert HK, Eckelt U. Genetic polymorphisms of drug-metabolizing enzymes and susceptibility to oral cavity cancer. Oral Oncol. 2002; 38(5):486-90.

3. Koy S, Hauses M, Appelt H, Friedrich K, Schackert HK, Eckelt U. Loss of experession of ZAC/LOT1 in squamous cell carcinomas of head and neck. Head Neck. 2004; 26(4):338-44.

4. Nitsche M, Koy S, Mörz M, Koch R, Eckelt U. Exploration of tumor suppressors p16INK4a and p14ARF in oral leukoplakias. Mund Kiefer Gesichtschir. 2007; 11(6): 317-26.

5. Görgens H, Müller A, Krüger S, Kuhlisch E, König IR, Ziegler A, Schackert HK, Eckelt U. Analysis of the base excision repair genes MTH1, OGG1 and MUTYH in patients with squamous oral carcinomas. Oral Oncol. 2007; 43(8): 791-5.

6. Koy S, Plaschke J, Luksch H, Friedrich K, Kuhlisch E, Eckelt U, Martinez R. Microsatellite instability and loss of heterozygosity in squamous cell carcinoma of the head and neck. Head Neck. 2008; 30(8): 1105-13.