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Einsatz resorbierbarer Osteosynthesematerialien

In den letzten 30 Jahren konnte die Osteosynthese durch den Einsatz kleiner Titanplatten in der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie revolutioniert werden. Trotz der guten Verträglichkeit von Titan wird aus verschiedensten Gründen (Metalllosen, Korrosion, thermische Missempfindungen, Expositionsgefahr des Osteosynthesematerials bei fortschreitender Zahnlosigkeit, spätere Schwierigkeiten bei der radiologischen Diagnostik, Migration von Osteosynthesematerial vor allem in der kraniofazialen Chirurgie) von vielen Autoren die Entfernung empfohlen. Die Materialentfernung erfordert einen Zweiteingriff, der den Patienten erneuten Komplikationsgefahren aussetzt und eine zusätzliche soziale, gesundheitspolitische und wirtschaftliche Belastung mit sich bringt.  Diese Umstände führten schon seit längerer Zeit zu Bemühungen, optimale resorbierbare Osteosynthesematerialien zu entwickeln. Die naturgemäß gegenüber Titan geringe Stabilität der resorbierbaren Osteosynthesematerialien erfordert in den meisten Fällen einen Gewindevorschnitt der Schrauben. Je länger die Schraube, desto größer die Torquekräfte bei der Insertion. Insbesondere bei langen Schrauben bereitet die Ankopplung zum Schraubendreher Probleme. Nicht selten kommt es zum Ausbrechen der Schraubenköpfe bereits während der Applikation. Das Gewindeschneiden erfordert zusätzlichen Zeitaufwand und verringert gegenüber der überwiegend selbstschneidenden Osteosynthese mit Metallschrauben die Stabilität. Einen entscheidenden Fortschritt stellt hier die Bone Welding – Technik dar, bei der ein resorbierbarer Pin mittels Ultraschall eingebracht (Mai et al. 2007; Pilling et al. 2007a; Pilling et al. 2007b; Schneider et al. 2007; Meissner et al. 2008) wird (Abb. 1 und Abb. 2) wird. Während der Insertion wird dieser Pin randständig durch Ultraschall erwärmt, dringt in das Bohrloch ein und verschmilzt unmittelbar unter der Kortikalis in der Spongiosa. Durch ein Verschmelzen des Pins mit der Osteosyntheseplatte oder einem Mesh entsteht eine völlig neue dreidimensionale Stabilität. Diese innovative Form der Osteosynthese hat sich bereits bei der Versorgung von Mittelgesichtsschädelfrakturen und in der kraniofacialen Chirurgie experimentell und klinisch bewährt (Eckelt et al. 2007; Pilling et al. 2007a; Pilling et al. 2007b; Schneider et al. 2007; Meissner et al. 2008). Bisher standen jedoch nur Pins mit einer maximalen Länge von 6 mm zur Verfügung. Die Herstellung längerer Pins ist zunächst technologisch unproblematisch. Allerdings ist die Stabilität dieser Osteosynthesen, die vom Schmelz- und Eindringverhalten während der Ultraschallapplikation bestimmt wird, unklar. Je länger der Pin (Abb. 3 und Abb. 4) und je geringer der gewählte Bohrlochdurchmesser, desto größer die Gefahr, dass sich der Pin bereits außerhalb des Bohrloches bis zur Schmelztemperatur erwärmt, kollabiert und die erforderliche Eindringtiefe nicht erreicht. Das Eindringen und Verschmelzen mit dem Lagergewebe steht weiter in enger Beziehung zum Durchmesser der Bohrung. Ist die Bohrung zu groß, dringt der Pin zwar problemlos und möglicherweise auch ohne Ultraschall vor, verschmilzt aber nicht mit dem umgebenden Knochen. Ist die Bohrung hingegen zu klein, wird der Pin unzureichend in das Bohrloch vordringen und sich nach wenigen Sekunden so erwärmen, dass ein weiterer Vorschub unmöglich wird. Im optimalen Fall verschmilzt der Pin mit dem Lagergewebe randständig und führt so zu einer soliden Verbindung. Im Rahmen einer experimentellen Studie konnte auch für die langen Pins eine optimale Bohrlochkonfiguration mittels einer Stufenbohrung ermittelt werden (Schneider et al. 2009). Auf Grundlage dieser in vitro Studie konnten die langen Pins dann bei diakapitulären Frakturen des Unterkiefergelenkfortsatzes tierexperimentell untersucht werden. Im Vergleich zu den bisher verwendeten Titanschrauben zeigte sich sowohl radiologisch als auch makroskopisch und histologisch kein Unterschied in der in vivo Stabilität während des Tierversuches. Inzwischen ist die neue Technik des Bone Welding bei diakapitulären Gelenkwalzenfrakturen bereits klinisch im Einsatz und kommt unmittelbar dem Patienten zu Gute. Gerade bei Gelenkfrakturen ist es von großer Bedeutung, dass die Menge an eingesetztem Material so gering wie möglich ist. Eventuelle Fehlpositionierungen der resorbierbaren Kunststoffpins, die bei Titanschrauben immer eine erneute operative Entfernung notwendig machten, sind nur noch von geringer Bedeutung, da das Material nach der Knochenbruchheilung durch den Körper ohnehin aufgelöst wird. Die Abb. 5 und Abb. 6 zeigen ein klinisches Beispiel einer diakapitulären Fraktur im dreidimensionalen Röntgenbild, die mit 2 resorbierbaren Pins fixiert wurde. Auch für Gelenkfrakturen des Unterkiefers, die an der Gelenkbasis oder am Gelenkhals liegen, ist der Einsatz resorbierbarer Materialien sehr interessant. Tierexperimentelle Arbeiten konnten auch hier bereits die prinzipielle Eignung feststellen (Rasse et al. 2007).  Die geringe Stabilität gegenüber konventionellen Osteosynthesesystemen aus Titan oder Stahl erfordert auch hier ein technologisches Umdenken. Gerade bei mäßig bis stark dislozierten Frakturen des Gelenkfortsatzes treten nach der Repositon intra- udn postoperativ erhebliche Rückstellkräfte auf. Eine ausreichend stabile Fixation mit konventionellen Plattensystemen aus PLA erscheint fraglich. In diesen Fällen wird vorgeschlagen, um den bereits reponierten Gelenkfortsatz ein resorbierbares Mesh aus ResorbX® (Fa. Martin, Tuttlingen) dreidimensional zu modellieren (Abb. 7). An einem sterilen Phantommodell kann die im Wasserbad plastifizierte Meshplatte primär konturiert werden. Folgend wird die Passung direkt am Knochen optimiert.  Bereits nach Aushärtung der Meshplatte in situ ist die Fraktur körperlich gefasst und in korrekter Stellung fixiert. Abschließend wird die Osteosynthese durch die Applikation von Pins aus dem SonicWeld System gegen eine Lageverschiebung gesichert (Abb. 8). Das vorgeschlagene System konnte bisher mehrfach erfolgreich eingesetzt werden. Es handelte sich um tiefe und mittelhoch nach medial und lateral dislozierte Frakturen des Gelenkfortsatzes. Im Rahmen der üblichen postoperativen Röntgenkontrollen zeigten sich keine sekundären Dislokationen. Wundheilungsstörungen oder die von resorbierbaren Materialien bekannten Schwellungen traten nicht auf. Die komplikationslose Einheilung von großen Mesh-Platten aus PolyD/L-Lactid, die mit Pins aus dem SonicWeldRx befestigt wurden, konnte schon in verschiedenen experimentellen in vivo Studien nachgewiesen werden. Die klinische Anwendung in der kraniofacialen Chirurgie und  bei Mittelgesichtschädelfrakturen gilt als etabliert. Mit der dreidimensionalen Fixation der Gelenkfrakturen konnte auch bei dieser Indikation eine Möglichkeit zur stabilen resorbierbaren Osteosynthese geschaffen werden.

Osteosynthesematerialien Abb. 1

Abb. 1 Ultraschallgerät zur Pinapplikation ("Sonicwelder" 52-500-0-04, Hersteller: Fa. Martin Medizintechnik, Tuttlingen)

Osteosynthesematerialien Abb. 2

Abb. 2 SonicWeld®Pin vor der Applikation mittels Ultraschall

Osteosynthesematerialien Abb. 3

Abb. 3 Pins mit den Abmessungen 2,1 x 17; 2,1 x 11 und 2,1 x 7 mm

 

Osteosynthesematerialien Abb. 4

Abb. 4 Entnahme Pins mit dem Handstück des Sonic Welder

Osteosynthesematerialien Abb. 5

Abb. 5 Fixation des Walzenfragmentes einer diakapitulären Gelenkfraktur mit Resorb-X-Pins

Osteosynthesematerialien Abb. 6

Abb. 6 Meshplatte aus Resorb-X® vor der Konturierung

Osteosynthesemateralien Abb. 7

Abb. 7 Dreidimensional konstruierte Meshplatte vor der Pininsertion

Osteosynthesematerialien Abb. 8a   Osteosynthesematerialien Abb. 8b   Osteosynthesematerialien Abb. 8c

Abb. 8 Tiefe Fraktur der Gelenkfortsatzbasis bereits in exakter Stellung reponiert links im Bild, in der Mitte wird das anmodellierte resorbierbare Mesh mit einem weiteren Pin fixiert, rechts im Bild die fertiggestellte Osteosynthese

Literatur:

1. Mai, R., Lauer, G., Pilling, E., Jung, R., Leonhardt, H., Proff, P., Stadlinger, B., Pradel, W., Eckelt, U., Fanghänel, J., Gedrange, T. Bone welding--a histological evaluation in the jaw.  Ann Anat (2007) 189(4): 350-355.

 
2. Pilling, E., Mai, R., Theissig, F., Stadlinger, B., Loukota, R., Eckelt, U. An experimental in vivo analysis of the resorption to ultrasound activated pins (Sonic weld) and standard biodegradable screws (ResorbX) in sheep. Br J Oral Maxillofac Surg (2007a) 45(6): 447-450.

3. Pilling, E., Meissner, H., Jung, R., Koch, R., Loukota, R., Mai, R., Reitemeier, B., Richter, G., Stadlinger, B., Stelnicki, E., Eckelt, U. An experimental study of the biomechanical stability of ultrasound-activated pinned (SonicWeld Rx+Resorb-X) and screwed fixed (Resorb-X) resorbable materials for osteosynthesis in the treatment of simulated craniosynostosis in sheep. Br J Oral Maxillofac Surg (2007 b) 45(6): 451-456.

4. Schneider, M., Lauer, G., Eckelt, U. Surgical treatment of fractures of the mandibular condyle: a comparison of long-term results following different approaches - functional, axiographical, and radiological findings. J Craniomaxillofac Surg (2007) 35(3): 151-160.

5. Meissner, H., Pilling, E., Richter, G., Koch, R., Eckelt, U., Reitemeier, B. Experimental investigations for mechanical joint strength following ultrasonically welded pin osteosynthesis. J Mater Sci Mater Med (2008) 19(6): 2255-2259.

6. Eckelt, U., Nitsche, M., Müller, A., Pilling, E., Pinzer, Th., Roesner, D. Ultrasound aided pin fixation of biodegradable osteosynthetic materials in cranioplasty for infants with craniosynostosis. J Cranio Maxillofac Surg (2007) 35: 218-221.

7. Schneider, M., Loukota, R., Reitemeier, B., Meissner, H., Stadlinger, B., Eckelt, U., Richter, G. Bone block fixation by ultrasound activated resorbable pin osteosynthesis: a biomechanical in vitro analysis of stability. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. (2009): in press.

8. Spiessl, B. and K. Schroll (1972). Spezielle Frakturen- und Luxationslehre. Ein kurzes Handbuch in fünf Bänden. Band I/1 Gesichtsschädel. H. Ningst. Stuttgart, New York, Georg Thieme Verlag.

9. Rasse, M., Moser, D., Zahl, C., Gerlach, K.L., Eckelt, U., Loukota, R. Resorbable poly(D, L)lactide plates and screws for osteosynthesis of condylar neck fractures in sheep. Br J Oral Maxillofac Surg (2007) 45: 35-40.