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17. November 2014: Erste MS-Patienten erhalten 100. Antikörper-InfusionProf. Tjalf Ziemssen, Leiter des MS-Zentrums der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus. Foto: Uniklinikum Dresden / Christoph Reichelt
17. November 2014

17. November 2014: Erste MS-Patienten erhalten 100. Antikörper-Infusion

Enges Miteinander von Forschung und Krankenversorgung ist Basis für erfolgreiche Arbeit des MS-Zentrums / Monitoring-Programm gegen Nebenwirkungen entwickelt

Gleich zwei von Multipler Sklerose (MS) betroffene Patienten erhalten im November ihre 100. Infusion mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab im MS-Zentrum der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Dank des 2006 in Deutschland zugelassenen, innovativen Medikaments haben die Patienten weniger und milder verlaufende Krankheitsschübe. Da mit dieser Antikörpertherapie jedoch ein erhöhtes Risiko für eine schwerwiegende Virusinfektion des Gehirns verbunden ist, bedarf es einer engen Überwachung der Patienten. Dazu hat ein Forscherteam des von Prof. Tjalf Ziemssen geleiteten MS-Zentrums ein Monitoring-Programm entwickelt, das mittlerweile bundesweit bei allen Natalizumab-Therapien eingesetzt wird. Allein in Dresden werden 150 MS-Patienten mit dem monoklonalen Antikörper behandelt. Insgesamt betreut das Dresdner Zentrum 1.400 von Multipler Sklerose Betroffene und ist damit eine der größten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland.

Bei der Multiplen Sklerose handelt es sich um eine vom Körper selbst ausgelöste, in Schüben auftretende Entzündung von Teilen des Nervensystems. Um diese Immunreaktionen zu bremsen, stehen den Neurologen eine Vielzahl an Medikamenten zur Verfügung, um den Verlauf der Erkrankung abzumildern. Heilen dagegen lässt sie sich nicht. Auch sprechen die Patienten sehr unterschiedlich auf die Wirkstoffe an. Um selbst bei schwer behandelbaren Fällen das Risiko schubartig auftretender Entzündungen im Gehirn zu senken, greifen die behandelnden Ärzte unter anderem auf sogenannte monoklonale Antikörper zurück. Sie gehen eine Verbindung mit den Molekülen ein, die den Übertritt der Immunzellen ermöglichen die dann im Gehirn für die MS-typischen Entzündungen verantwortlich sind. Aufgrund der Blockierung können die schädlichen Immunzellen  die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr im bisherigen Umfang passieren, so dass deutlich weniger MS bedingte Schädigungen  auftreten.

Diese therapeutische Wirkung des Antikörpers geht jedoch mit dem erhöhten Risiko einher, dass ein humanes Polyomavirus, das 60 Prozent der Menschen natürlicherweise in sich tragen, ins zentrale Nervensystem eindringt und unumkehrbare Schäden im Gehirn verursacht. Diese Gefahr lässt sich jedoch minimieren, wenn die mit Natalizumab behandelten Patienten durch ein interdisziplinäres standardisiertes Monitoring begleitet werden.

Die Ärzte und Wissenschaftler der Klinik für Neurologie haben sich intensiv mit dem Management der Natalizumab-Infusionen beschäftigt und ein entsprechendes Überwachungsprogramm entwickelt. Dessen Effektivität ist inzwischen in verschiedenen multizentrischen Pilotprojekten in Deutschland wissenschaftlich untersucht worden. Das Wissenschaftlerteam um Prof. Ziemssen hat damit ein zuverlässiges Instrument zur frühzeitigen Erkennung unerwünschter Nebenwirkungen geschaffen. Es besteht aus standardisierten Fragenbögen, die die Patienten über Tablet-Computern ausfüllen sowie dem MSDS3D – ein spezielles Untersuchungsprogramm. Mittlerweile wird das Dresdner MSDS3D-Natalizumab-Monitoring-Programm bundesweit genutzt. Alle dabei gesammelten Daten werden im MS-Zentrum der Klinik für Neurologie ausgewertet.

„Das Beispiel der Antikörper Infusionstherapie für MS-Patienten ist ein eindrucksvolles Beispiel translationaler Forschung: Das Zentrum hat für diese aus der Krankenversorgung resultierenden Fragestellungen zeitnah ein wissenschaftliches Projekt aufgesetzt und in kürzester Zeit eine Lösung entwickelt, von der die Patienten unmittelbar profitieren“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums. Das MSDS3D Monitoring-Programm ist nicht das einzige Projekt, das dem MS-Zentrum zu einem international einen klangvollen Namen verhilft. Ärztedelegationen aus ganz Europa und Übersee kommen nach Dresden, um sich über den Einsatz innovativer Therapien für MS-Patienten zu informieren. So waren zuletzt MS-Spezialisten aus Kroatien und Brasilien in Dresden, belgische Ärzte kommen in der kommenden Woche. Die Qualitäten des MS-Zentrums sind dabei nicht allein in der engen Verknüpfung von Forschung und Krankenversorgung begründet. Das Zentrum bietet darüber hinaus ein ganzheitliches Versorgungskonzept, das auf der interdisziplinären Zusammenarbeit der Ärzte beruht und ebenso die psychosoziale Betreuung der Patienten beinhaltet. Dank des dabei über mittlerweile über sieben Jahre gesammelten Erfahrungsschatzes ist  das Zentrumsteam um Prof. Ziemssen ein begehrter Gesprächspartner, wenn es um Fragen der Versorgung von MS-Patienten geht. So berät Prof. Ziemssen nicht nur deutsche Krankenkassen sondern auch europäische und arabische Staaten.

Hintergrundinformation Multiple Sklerose
Allein in Sachsen sind mehr als 4.000 Menschen an MS erkrankt. Unter dieser in Schüben auftretenden Entzündung von Teilen des Nervensystems leiden und litten auch Prominente wie der Schlagersänger Howard Carpendale, die Star-Cellistin Jacqueline du Pré oder der Dichter Heinrich Heine. Obwohl die Krankheit vor mehr als einem Jahrhundert erstmals beschrieben wurde, sind Diagnose und Therapie nach wie vor schwierig. Auch Neurologen benötigen Spezialwissen, um MS-Kranke umfassend behandeln zu können. Die Symptome der Multiplen Sklerose sind vielfältig. Die Krankheit kann Augenprobleme ebenso verursachen wie Kopfschmerzen oder Querschnittslähmungen. Betroffene sprechen deshalb auch von der ‚Krankheit mit den tausend Gesichtern’.

Das Multiple-Sklerose-Zentrum der Klinik für Neurologie
Das durch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft zertifizierte Zentrum lässt die Patienten unmittelbar am medizinischen Fortschritt teilhaben. Seit seiner Gründung vor sieben Jahren ist das MS-Zentrum stetig gewachsen – heute behandeln die Neurologen des Klinikums pro Jahr mehr als 1.400 Patienten. Als eine der bundesweit größten und renommiertesten Einrichtungen dieser Art verknüpft das Zentrum die ambulante medizinische Versorgung der Patienten mit einem umfangreichen psychosozialen Beratungsangebot und einer regen Forschungstätigkeit. In Deutschlands größtem, 2014 zum dritten Mal erschienenem Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ konnte das MS Zentrum Dresden vor allem durch die Kombination dieser Versorgungsangebote erneut einen bundesweiten Spitzenplatz belegen. Die 2011 bezogenen Räume im ABAKUS-Gebäude an der Blasewitzer Straße bieten Patienten, Ärzten und Forschern auf knapp 600 Quadratmetern eine optimale Infrastruktur. „Größe und Aufbau eines solchen Zentrums sind entscheidend für dessen Erfolg“, sagt Prof. Ziemssen mit Blick auf die mittlerweile siebenjährige Geschichte der Einrichtung. Am neuen Standort ist unter anderem eine engere Verknüpfung verschiedener Forschungsvorhaben der Klinik für Neurologie möglich. Auch ist das MS-Zentrum zu einem wichtigen Partner bei der Fortbildung von MS-Ärzten geworden: Über 300 Neurologen aus Lateinamerika, Nordamerika, Europa und arabischen Ländern nahmen in den Jahren 2013 und 2014 an Schulungsprogrammen des MS-Zentrums der Klinik für Neurologie teil.

Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Multiple Sklerose Zentrum (MSZ)
Leiter: Prof. Tjalf Ziemssen
Tel. 0351 458-44 65
Tjalf.Ziemssen@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de
www.neuro.med.tu-dresden.de/ms