27. März 2012: ADHS – Können Patienten ihre Tagträume mit der Kraft des eigenen Gehirns stoppen?
Wissenschaftler präsentieren auf 2. Europäischem ADHS-Symposium in Dresden neue Erkenntnisse zu Beziehungen zwischen Hirnströmen und Aufmerksamkeitsschwankungen
Aktuelle Forschungsergebnisse zu Ursachen, Mechanismen und Therapien der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stehen im Mittelpunkt des von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden ausgerichteten 2. Europäischen Symposiums. „ADHS – von der Pathophysiologie zur Therapie“ lautet das Thema der am 30. März im Medizinisch Theoretischen Zentrum stattfindenden Veranstaltung. Die Dresdner ADHS-Experten erwarten dazu rund 150 Teilnehmer, die sich anhand von Vorträgen ihrer Fachkollegen aus dem In- und Ausland einen Überblick über den derzeitigen Stand der Erkenntnisse verschaffen möchten. Dabei stellen auch die Wissenschaftler der Kinder- und Jugendpsychiatrie Ergebnisse ihrer Arbeit vor.
Konzentrationsprobleme und Tagträumereien der von ADHS betroffenen Kinder und Jugendlichen zählen zu den wichtigsten Symptomen dieser Erkrankung. Dies ist aber kein Dauerzustand, sondern eher eine Achterbahn: Die Phasen von Konzentration und Unaufmerksamkeit wechseln abrupt, was sich auch anhand von Gehirnströmen dokumentieren lässt. Prof. Stephan Bender, Experte für Klinische Neurophysiologie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, sieht in dieser hohen Variabilität den Kern des Problems und zugleich eine mögliche Lösung. Denn auch für unauffällige Kinder ist es gerade zu Beginn der Schulpflicht noch nicht selbstverständlich, sich längere Zeit mental auf ein Thema oder eine Tätigkeit zu fokussieren. ADHS-Betroffenen jedoch scheint es aufgrund der starken Konzentrationsschwankungen nahezu unmöglich, ihre Aufmerksamkeit so intensiv wie ihre Mitschüler zu bündeln. Die Forscher der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie analysieren deshalb bei den ADHS-Betroffenen die Muster der per Elektroenzephalografie (EEG) aufgezeichneten Hirnströme. Ziel ist es, „die mit der Erkrankung einhergehende Variabilität durch gezieltes Training zurückzudrängen und so die unterschiedlichen Phasen von Müdigkeit und Wachheit zu beeinflussen“, erklärt Prof. Bender.
Eine Methode, unwillkürlich im Körper ablaufenden Prozessen gegenzusteuern, ist das sogenannte Neurofeedback: Die per EEG registrierten Hirnströme werden mit einem Computer sicht- oder hörbar gemacht. Dies bildet die Grundlage für ein Training, um unerwünschtes Verhalten zu stoppen und erwünschtes zu unterstützen. „Es geht darum, die Selbstkontrolle der ADHS-Patienten zu stärken. Ob das mit dem Neurofeedback in der alltäglichen Praxis gelingt, ist zwar noch eine Vision, erste Ergebnisse sind aber viel versprechend“, erklärt der ADHS-Experte Prof. Bender. m die wissenschaftlichen Grundlagen für diesen neuen Therapieansatz bei ADHS zu schaffen, laufen zurzeit mehrere Studien an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Uniklinikums, an der sich Betroffene im Alter von sechs bis 18 Jahren beteiligen.
Symposium bietet innovative Themen von hoher Relevanz für die Praxis
Neben dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Dresdner Uniklinikums, Prof. Veit Rößner, hält Prof. Stephan Bender einen Vortrag auf dem zweiten Europäischen ADHS-Symposium in Dresden. Zudem sprechen auf der am Freitag, dem 30. März, von 13.30 bis 17 Uhr im Medizinisch-Theoretischen Zentrum (Fiedlerstraße 42, 01307 Dresden) stattfindenden Veranstaltung Experten aus Bulgarien (Prof. Juliana Yordanova, Neurobiologisches Institut, Universität Sofia), Großbritannien (Prof. Christoph Klein,School of Psychology, Bangor, Wales, Großbritannien sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universität Freiburg) und der Schweiz (Prof. Hans-Christoph Steinhausen, Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Aarhus, Dänemark sowie Basel und Zürich, Schweiz) sowie aus Deutschland (PD Dr. Christian Bachmann, Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Berlin).
Im Mittelpunkt stehen folgende Themen: Die Fluktuation von Aufmerksamkeit als eine wesentliche Problematik bei Kindern mit ADHS; die Auswirkung genetischer Risiken auf Hirnmechanismen zur Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit und: unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei ADHS. „Bewusst haben wir den Fokus wieder auf innovative Themen von hoher Relevanz für die tägliche Praxis mit unseren jungen Patienten gelegt“, betont Prof. Rößner und hofft, dass auch viele Ärzte und Therapeuten aus Sachsen und den angrenzenden Bundesländern nach Dresden kommen. Das Programm des Symposiums ist unter www.kjp-dresden.de abrufbar.
Kontakt
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Prof. Stephan Bender
Tel. 0351 458-71 68
E-Mail: stephan.bender@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de/kjp