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26. Juli 2011

MS-Zentrum setzt erfolgreichen Kurs in neuen Räumen fort

26. Juli 2011: Nach Umzug sind medizinische Versorgung, psychosoziale Betreuung und Forschung vereint / Neues Mobilitätscenter sorgt mit High-Tech-Gehmatte für verbesserte Diagnostik

Seit seiner Gründung vor vier Jahren ist das Multiple-Sklerose-Zentrum der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden stetig gewachsen – heute behandeln die Neurologen des Klinikums hier pro Jahr mehr als 800 Patienten. Als eine der bundesweit größten und renommiertesten Einrichtungen dieser Art verknüpft das Zentrum die ambulante medizinische Versorgung der Patienten mit einem umfangreichen psychosozialen Beratungsangebot und einer regen Forschungstätigkeit. Die neuen Räume im zweiten Stock des ABAKUS-Gebäudes an der Blasewitzer Straße bieten Patienten, Ärzten und Forschern auf knapp 600 Quadratmetern eine optimale Infrastruktur. So ist am neuen Standort unter anderem eine engere Verknüpfung verschiedener Forschungsvorhaben der Klinik für Neurologie möglich. Damit profitieren auch die Patienten der benachbarten Parkinson-Spezialstation vom neu geschaffenen Mobilitätscenter: Hier werden ihre Mobilität und ihr Gang quantitativ erfasst, um zu Forschungszwecken von MS oder Parkinson hervorgerufene Störungen darstellen zu können.

Die Aufteilung der 24 Räume verdeutlicht die Struktur des MS-Zentrums: Jeder der drei Flure steht für eine Säule der Einrichtung – die medizinische Versorgung, die psychosoziale Betreuung sowie die klinische Forschung. Dieser seit der Gründung des Zentrums gelebte Dreiklang begründet seinen guten Ruf – unter Patienten ebenso wie unter Ärzten und Wissenschaftlern. Carsten Meck ist ein Patient der ersten Stunde des vor vier Jahren neu gegründeten Zentrums: Als 20-Jähriger erlitt er 1999 erstmals massive Schübe dieser Erkrankung des zentralen Nervensystems. Mit den damals verfügbaren Medikamenten und Therapien ließen sie sich nicht stoppen. Folge der Schübe waren gelähmte Beine und ein Verlust an Sehkraft. Zwar gelang es den Ärzten jeweils, die Lähmungen zum größten Teil wieder rückgängig zu machen, doch neue Schübe konnten sie medikamentös nicht unterbinden oder verringern. „Anfang 2006 galt ich als austherapiert. Da hatte ich aufgegeben“, sagt der Bad Schandauer. Bis dahin hatte jeder Schub seinen Zustand ein wenig verschlechtert. Carsten Meck konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch sehr eingeschränkt sehen und benötigte Gehhilfen. Jeder weitere Schub war für ihn damit eine Gefahr noch mehr an Lebensqualität einzubüßen.

Mit einem Besuch des damals in Gründung befindlichen MS-Zentrums schöpfte Carsten Meck wieder Hoffnung: Prof. Tjalf Ziemssen, der auch heute das Zentrum leitet, schlug ihm vor, eine Therapie mit einem gerade erst zugelassenen Medikament zu beginnen. „Das war meine Rettung. Schlagartig hörten die Schübe auf und im MRT waren keine aktiven Herde mehr zu erkennen“, berichtet der heute 32-Jährige. „Die Behandlung dieses Patienten illustriert auf beeindruckende Weise die Stärken der Hochschulmedizin. Durch die enge Verknüpfung von Krankenversorgung und Forschung können wir schwerst betroffenen Patienten die innovativsten Therapien anbieten. Gleichzeitig tragen unsere Experten mit ihren Erfahrungen und durch eigene Forschungen dazu bei, die Behandlung weiter zu verbessern“, sagt der Medizinische Vorstand, Prof. Michael Albrecht. Das Universitätsklinikum investierte einen mittleren sechsstelligen Betrag in den Umbau und die Ausstattung des Zentrums und stellt so sicher, dass das Zentrum seinen erfolgreichen Kurs fortsetzen kann.

Neben der Therapie von MS-Patienten auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft beteiligt sich die Einrichtung zurzeit an zwanzig klinischen Studien. Deshalb gehören zu der Einrichtung gesonderte Räume, in denen zurzeit 120 Probanden regelmäßig untersucht und behandelt werden. In den Studien geht es unter anderem darum, die Wirksamkeit auf dem Markt befindlicher Medikamente und Therapien nachzuweisen. Im neuen Mobilitätszentrum setzen die Forscher dazu unter anderem eine acht Meter lange elektronische Gehmatte ein, die wichtige Parameter – wie Schrittlänge, -geschwindigkeit, Druckverhältnisse beim Auftreten – misst und durch einen Computer auswertet. Die High-tech-Matte, bisher vor allem im Spitzensport zur Kontrolle von Bewegungsabläufen im Einsatz, erfasst und quantifiziert die Mobilität und den Gang von Patienten. Im Rahmen von Kooperationsprojekten nutzen die Forscher diese und weitere spezifische Analysemethoden, um insbesondere den ökonomischen Einfluss von Mobilitätsstörungen darstellen zu können. Beispielsweise gehen die Wissenschaftler der Frage nach, welche Medikamente helfen, die Gehfähigkeit von MS- und Parkinson-Patienten signifikant zu verbessern. Für die Gehmatte wurde eigens ein 10 Meter langer Raum in das bestehende Gebäude integriert.

Multiple Sklerose bricht in den meisten Fällen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren aus. „In diesen Zeitraum fallen viele Entscheidungen, die das ganze Leben lang Bestand haben. Deshalb gehört zu der Betreuung der MS-Patienten mehr als die rein medizinische Behandlung“, sagt der Neurologe Ziemssen der im Juli zum Professor für klinische Neurowissenschaften berufen wurde. „Wir werden auf Themen wie Partnerschaft, beruflicher Werdegang und weitere Dinge angesprochen“, erklärt der Zentrumsleiter. Für Carsten Meck ist das MS-Zentrum zu einem festen Anlaufpunkt geworden: „Ich komme alle vier Wochen ins Zentrum und erhalte das Medikament per Infusion. Heute ist meine Lebensqualität den Umständen entsprechend gut.“ Der 32-Jährige ist zudem Mitglied einer Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig im Klinikum trifft. Auch unterstützt er die Vorlesungen und Seminare von Prof. Ziemssen.

Hintergrundinformation Multiple Sklerose
Allein in Sachsen sind mehr als 4.000 Menschen an MS erkrankt. Unter dieser in Schüben auftretenden Entzündung von Teilen des Nervensystems leiden und litten auch Prominente wie der Schlagersänger Howard Carpendale, die Star-Cellistin Jacqueline du Pré oder der Dichter Heinrich Heine. Obwohl die Krankheit vor mehr als einem Jahrhundert erstmals beschrieben wurde, sind Diagnose und Therapie nach wie vor schwierig. Auch Neurologen benötigen Spezialwissen, um MS-Kranke umfassend behandeln zu können. Die Symptome der Multiplen Sklerose sind vielfältig. Die Krankheit kann Augenprobleme ebenso verursachen wie Kopfschmerzen oder Querschnittslähmungen. Betroffene sprechen deshalb auch von der ‚Krankheit mit den tausend Gesichtern’.

Kontakt
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Multiple Sklerose Zentrum (MSZ)
Leiter: Oberarzt PD Dr. Tjalf Ziemssen
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Tel. +49- 0351 458-4465
Tjalf.Ziemssen@uniklinikum-dresden.de
http://www.neuro.med.tu-dresden.de/ms