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Verschiedene Arten des künstlichen Kniegelenkes

Grundsätzlich wird zwischen dem Teilgelenkersatz (Hemischlitten, Kniescheibengelenkersatz) und dem kompletten Gelenkersatz (Knie-Totalendoprothese, Knie-TEP) unterschieden.

Ein Teilgelenkersatz ist möglich, wenn nur einer (selten zwei) der drei Gelenkanteile geschädigt ist (meist innerer Anteil des Hauptgelenkes zwischen Ober- und Unterschenkelknochen) und auch nur dort Beschwerden bestehen. Dann wird nur der geschädigte Gelenkanteil ersetzt und die normale Bandführung des Kniegelenkes bleibt erhalten.

Teilgelenkersatz des inneren Anteils des Kniegelenkes (Hemischlitten)
Teilgelenkersatz des Kniescheibengelenkes (von vorn)
Teilgelenkersatz des Kniescheibengelenkes (von der Seite)











Bei der Totalendoprothese wird die gesamte Gelenkfläche des Ober- und Unterschenkelknochens ersetzt. Dabei werden die Seitenbänder erhalten, das vordere und teilweise auch das hintere Kreuzband werden entfernt und die Funktion wird durch das Kunstgelenk übernommen. Damit können über 95% aller Patienten versorgt werden. Für spezielle Situationen (ausgeprägter Knochenverlust, Verletzung der Seitenbänder) gibt es spezielle Kunstgelenke mit einer höheren Stabilität (gekoppelte Knie-TEP).

Vorderansicht einer Knie-Totalendoprothese
Abb 34.jpg
seitliches Röntgenbild einer Knie-Totalendoprothese















Zusätzlich kann auch die Kniescheibenrückfläche ersetzt werden, was in Deutschland aber nicht häufig erfolgt, da es dafür keinen gesicherten zusätzlichen Nutzen gibt. Der Einsatz moderner Kunstgelenke zielt neben einer Schmerzlinderung und Erhöhung der Lebensqualität auch auf eine möglichst lange Standzeit, d.h. auf einen möglichst andauernden und komplikationsfreien Verbleib des Implantates im Körper. Um einen guten Einbau der Prothese im Knochen und damit eine lange Haltbarkeit zu erreichen sind folgende Aspekte wichtig:

  • Guter knöcherner Einbau der Prothese:

Dafür ist eine möglichst hohe Stabilität unmittelbar nach dem Einbau erforderlich. Dies erfolgt am Kniegelenk in der Regel mit Knochenzement. Dabei handelt es sich um einen speziellen und schnell aushärtenden Kunststoff aus Polymethylmetacrylat, der zusätzlich ein Antibiotikum als Schutz vor Infektionen enthält. Die Befestigung von Ober- und Unterschenkelkomponente mit einer dünnen Schicht von Knochenzement gewährleistet eine sehr hohe Stabilität, ohne die Notwendigkeit eines zusätzlichen knöchernen Einwachsens im weiteren Verlauf. Bei Allergien gegen Knochenzement oder dessen Bestandteile kann auch eine zementfreie Fixation der Implantate erfolgen. In diesem Fall wird die anfängliche Stabilität durch das sog. Pressfit sichergestellt und der körpereigene Knochen muss durch „Anwachsen“ an die Prothese für die dauerhafte Stabilität sorgen.

  • Vermeidung von Abrieb:

Bewegen sich zwei Flächen gegeneinander, droht auf Dauer immer ein Materialverschleiß. Im gesunden Kniegelenk stellt der Gelenkknorpel über Jahrzehnte eine hohe Belastungsfähigkeit sicher, ohne dass ein wesentlicher Verschleiß entsteht. Künstlicher Gelenkersatz versucht, mit verschiedenen Materialien diese verschleißarme Situation nachzuahmen. Dies wird im Kniegelenk mit einer glatt polierten Gleitfläche der Oberschenkelkomponente aus einer Metalllegierung und hochfestem Kunststoff (Polyethylen) realisiert. Verschiedene Beschichtungen sollen den Verschleiß weiter vermindern und auch Oberschenkelkomponenten aus Keramik sind in der Erprobung.

Schematische Darstellung der Knie-Totalendoprothese



Stabilität eines künstlichen Kniegelenkes

Das Prinzip des am häufigsten eingesetzten künstlichen Kniegelenkes (sog. Oberflächenersatz) besteht aus der weiterbestehenden Stabilität durch die Seitenbänder (Innen- und Außenband) sowie der Gelenkkapsel und des Streckapparates (vordere Oberschenkelmuskulatur mit der Kniescheibe und Patellasehne).

Die Kreuzbänder werden teilweise oder komplett durch das Kunstgelenk ersetzt. Für die Übernahme der Funktion der Kreuzbänder gibt es verschiedene Formen des Kunststoffinlays, die je nach der individuellen Situation ausgewählt werden.

Das Kunststoffinlay kann auf der Unterschenkelkomponente fest oder beweglich fixiert sein. Von den beweglichen Inlays wurden bessere Verschleißeigenschaften erwartet, was sich in der Praxis jedoch nicht bestätigt hat. Insofern erfolgt die Versorgung meist mit einem fest verankerten Inlay. Sind die Seitenbänder nicht mehr intakt, muss ein spezielles Kunstgelenk mit einer höheren Stabilität ausgewählt werden (gekoppelte Knie-TEP). Ist hingegen der Streckapparat nicht mehr funktionstüchtig, macht ein bewegliches Kunstgelenk keinen Sinn, da der „Motor“ für die Bewegung nicht mehr arbeitet und somit eine gezielte Bewegung und Stabilisierung des Kniegelenkes nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen kommt leider meist nur noch eine Versteifung des Kniegelenkes in Frage.

Verschiedene Formen des Kunststoffinlays zum Erhalt (CR) und Ersatz (UC, PS) des hinteren Kreuzbandes. Beim sog. ultrakongruenten Inlay (UC) wird die Funktion des hinteren Kreuzbandes durch die hochgezogene vordere Lippe übernommen, beim sog. posteriorstabilisierenden Inlay (PS) wird dies durch den Zapfen erreicht.
















Passform eines künstlichen Kniegelenkes

Eine wichtige Voraussetzung für die Funktion des Kniegelenkes ist die möglichst genaue Nachbildung der vorher bestehenden Anatomie (Prinzip des Oberflächenersatzes). Moderne Kunstgelenksysteme haben dafür eine große Auswahl an Größen zur Verfügung, so dass eine sehr genaue Nachbildung erfolgen kann. Auch die Kunststoffinlays stehen in verschiedenen Höhen zur Verfügung, wodurch eine sehr genaue Anpassung der Bandspannung an das individuelle Kniegelenk erfolgen kann.

Es wurde zwischenzeitlich behauptet, dass Frauen andere künstliche Kniegelenke benötigen als Männer (sog. Frauen- oder Genderknie, Gender: engl. Geschlecht). Bei genauerer Betrachtung hat sich jedoch gezeigt, dass die Unterschiede zwischen kleinen und großen Menschen viel größer sind als zwischen (gleichgroßen) Frauen und Männern. Insofern ist es wichtig, dass eine ausreichende Anzahl an verschiedenen Größen zur Verfügung steht. Unterschiedliche Kunstgelenke für Frauen und Männer sind jedoch nicht erforderlich.

In letzter Zeit wurden die individuell angefertigten Kunstgelenke propagiert. Dabei erfolgt die Nachbildung des jeweiligen Kniegelenkes anhand der Daten eines vorher anzufertigenden Computertomogramms (CT). Für diese individuellen Kunst- gelenke gibt es bisher wenig veröffentlichte Daten zur Funktion oder Haltbarkeit. Ein möglicher Nachteil ist der Verschleiß des Kunststoffinlays. Durch die individuelle Form jedes einzelnen Kunstgelenkes kann keine Simulation erfolgen (wie das für CE-zertifizierte Kunstgelenke vorgeschrieben ist) und somit kann der Verschleiß nicht vorhergesagt werden, was möglicherweise negative Auswirkungen auf die Standzeit dieser Kunstgelenke hat.

Abhängig vom Ausmaß der Gelenkabnutzung kann ein Teilgelenkersatz (Hemischlitten, Kniescheibengelenkersatz) oder ein kompletter Gelenkersatz (Knie-Totalendoprothese, Knie-TEP) erfolgen. Für spezielle Situationen (ausgeprägter Knochenverlust, Instabilität) gibt es spezielle Kunstgelenke mit einer höheren Stabilität. Künstliche Kniegelenke werden meist zementiert und sind somit sofort nach Implantation voll belastbar.

Teilgelenkersatz


Teilgelenkersatz des inneren Anteils des Kniegelenkes (Hemischlitten)
Teilgelenkersatz des Kniescheibengelenkes (von vorn)
Teilgelenkersatz des Kniescheibengelenkes (von der Seite)


Oberflächenersatz

Abb 34.jpg
seitliches Röntgenbild einer Knie-Totalendoprothese
Vorderansicht einer Knie-Totalendoprothese

Gekoppelte Knie-TEP